Ai Weiweis Turandot
Der Dokumentarfilm «Ai Weiweis' Turandot» begleitetet den chinesischen Künstler und Aktivisten Ai Weiwei von der Einladung zur Mitarbeit bis zur Premiere am Opernhaus in Rom. Der von Puccini begeisterte chinesische Star verwebt die Oper «Turandot» meisterhaft mit aktuellen globalen Themen. Damit bekräftigt er nicht nur die bleibende Relevanz des musikalischen Meisterwerks, sondern bringt gleichzeitig sein Leben und seine künstlerische Philosophie auf die Bühne.
Der Film dokumentiert die Inszenierung und Probenarbeit, welche dieser visionären Opernaufführung voranging. Die Choreografin Chiang Ching gibt zusätzlich Einblicke in die persönliche Verbindung zwischen Ai Weiwei und Turandot und wie die Oper sein Leben wiedergibt. Die Verbindung der starken Bildsprache mit der eindringlichen Musik und der kraftvollen Erzählkunst schuf ein Ereignis, das emotional bewegt und intellektuell fordert. Es lädt ein, das Zusammenspiel von Musik, Aktivismus und visueller Kunst konkret zu erleben und steht für seine Thesen «Alles ist Kunst» und «Alles ist Politik».

Giacomo Puccini: der erste Protagonist
«Turandot» ist Puccinis bekanntestes, zugleich letztes Werk, dessen Libretto von Giuseppe Adami und Renato Simoni stammt, nach dem gleichnamigen Theaterstück von Carlo Gozzi.. Vollendet wurde die Oper von Franco Alfano. Die Geschichte stammt ursprünglich aus dem Persischen. Turandot ist die Heldin einer Erzählung aus der orientalischen Märchensammlung «1001 Nacht». Die Oper spielt im alten China und handelt von Liebe, Macht und Erlösung und ist für ihre Grandiosität bekannt.
Sie erzählt die Geschichte der schönen, aber kaltherzige Prinzessin Turandot, die ihre Verehrer mit Rätseln herausfordert und, wenn sie diese nicht richtig beantworten, hinrichten lässt. Die Geschichte entfaltet sich, als der unbekannte Prinz Calàf die Herausforderung annimmt und sein Leben riskiert. Turandot lässt die Sklavin Liù, die Calàfs Namen schützen will, foltern, bis sie sich das Leben nimmt. Im Finale überwindet Turandot ihre Grausamkeit und erklärt, ihr Name sei Liebe, woraufhin sie und Calàf heiraten und die Tyrannei zu Ende ist.

Turandot
Ai Weiwei: der zweite Protagonist
Im Zentrum der Inszenierung steht Ai Weiwei, der für sein unermüdliches Engagement für soziale Gerechtigkeit und freie Meinungsäusserung bekannt ist. Hier bewegt er sich neugierig in der komplizierten Opernwelt und bringt seine unverwechselbare künstlerische Perspektive und seinen Aktivismus in den Entstehungsprozess der Aufführung. Die Choreografin Chiang Ching vermittelt Einblicke in die Verwandtschaft zwischen «Turandot» und Ai Weiweis' Leben und erkundet die dynamische Schnittmenge zwischen Kunst, Politik und menschlicher Erfahrung in dieser Geschichte.
Der Film verfolgt den Prozess von Ai Weiwei als revolutionären Künstler und Aktivist durch die ganze Entwicklung von der Einladung zur Mitarbeit bis zur Premiere. Inspiriert von Puccinis zeitloser Oper baut Ai Weiwei die vielfältigen Herausforderungen ein, mit denen die Menschheit heute konfrontiert ist, darunter dem Krieg in der Ukraine, der Flüchtlingskrise, der Covid-Pandemie und vielem mehr. Er bestätigt nicht nur die anhaltende Vitalität von Puccinis Oper, sondern beleuchtet auch das Leben und die künstlerische Vision von Ai Weiwei.
Der visuelle Ansatz von «Ai Weiweis' Turandot» besteht in der grossartigen Verschmelzung von cineastischer Vielfalt und eindringlicher Erzählkunst. Er fesselt mit eindrucksvollen Bildern, welche die Grösse des Opernhauses und die komplizierte Bühnenarbeit zeigen. Der Filmemacher Derevianko verwendet eine Mischung aus intimen Nahaufnahmen, dynamischen Performances und weitläufigen Aufnahmen, um die emotionale Intensität und visuelle Pracht der Produktion einzufangen.
Regisseur Maxim Derevianko: der dritte Protagonist
Der Filmemacher erinnert sich: Der Gedanke, dass mein Vater für die künstlerische Freiheit in Italien gekämpft hatte, und die Mantras über Kunst und Politik von Ai Weiwei haben mich inspiriert, diesen Film zu drehen. Als Regisseur war ich schon immer vom Schmetterlingseffekt fasziniert: der Idee, dass die Bewegung eines Schmetterlingsflügels auf der einen Seite der Erde auf der anderen Seite zu spüren ist, dass kleine Dinge im Laufe der Zeit grosse Auswirkungen haben können. Für mich gleicht das Komponieren einer Oper dieser Idee. Ein Komponist beginnt mit einer Note auf einem Stück Papier, das er einem Librettisten, einem Regisseur und weiteren Personen gibt. Gemeinsam gehen sie von einem leeren Blatt Papier aus, um ihre Idee in die Realität umzusetzen. Am Ende des Prozesses werden es Hunderte sein, welche die Idee auf die Bühne bringen, und die Botschaft wird von Millionen Menschen aufgenommen.
Als wir im Februar 2020 mit den Dreharbeiten begannen, wollte ich ursprünglich einen Dokumentarfilm über Ai Weiweis' kreativen Prozess mit Puccinis «Turandot» und diesem Schmetterlingseffekt drehen, dann aber geschah etwas Unglaubliches: Wir hörten vom Coronavirus, das sich langsam ausbreitete, und plötzlich begann die Pandemie. Theater, Kinos, Museen und Kunst im Allgemeinen waren die ersten Orte, die zum Stillstand kamen und schliesslich geschlossen wurden. Wie Ai Weiwei sagte: «Plötzlich ist es so, als ob man ein Haus baut, und es stürzt in sich zusammen.» Für einen Moment verliert die Kunst ihre Bedeutung und Macht, die Künstler werden in ihrer Existenz infrage gestellt. Durch all dies veränderte sich der Film. Er wurde nicht nur zu einem Film über Ai Weiwei, sondern es stellten sich auch Fragen wie «Was ist Kunst?» und «Warum brauchen wir sie?» Denn diese Oper auf die Bühne zu bringen, bedeutete nicht nur, einen Vorhang zu öffnen und ein paar Stunden lang Musik zu machen und zu singen, sondern die Botschaft der Liebe und der Meinungsfreiheit verbreiten und schliesslich, dass Künstler Kämpfer, Aktivisten und auch Symbole für diese Werte sind, wie alle Werke von Ai Weiwei.
PS
Von den zahllosen Sätzen, die man aus dem Film zitieren könnte oder vielleicht auch müsste, folgen hier drei, vielleicht ganz zufällige:
«Ich glaube, dass Kunst notwendig ist, weil Kunst das Leben darstellen muss.»
«Offensichtlich gibt Kunst keine Lösungen für das Leben, aber sie gibt einige Interpretationen zum Leben.»
«Ich denke, die Kunst konkurriert mit der Realität, die Kunst wird das letzte Wort haben.»
Regie: Maxim Derevianko, Produktion: 2025, Länge: 77 min, Verleih: Vinca Film