Unser Garten Eden

Geschichten aus dem Schrebergarten

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Wie Fondue und Schokolade, so gehört der Schrebergarten zur Schweizer Identität. Fasziniert und ironisch zugleich, schildert der Kurde Mano Khalil in seinem Dokumentarfilm den Mikrokosmos eines Schrebergartens. Voll von Träumen und Enttäuschungen, Konflikten und Versöhnungen, Heimweh und Glück, Ärger und Freude, Frust und Lust.

Gärten sind Erholungs- und Besinnungsorte, oft auch bei Krankheit Hilfe, Angebot für Unterhaltung, Ersatz für kostspielige Beizenbesuche, Gelegenheit zum Rückzug in Krisen, Schauplatz wichtiger Familienereignisse, Ort der Verabschiedung von der alten und der beginnenden Integration in eine neue Heimat, eingebunden in traditionelle Feste und Rituale. Menschen unterschiedlicher geografischer, sozialer und politischer Herkunft verbringen hier ihre Freizeit, erfüllen ihre freie Zeit mit gemeinsamen Erlebnissen.

Das bunte Neben- und Miteinander bildet die gesellschaftlichen Verhältnisse in der heutigen multiethnischen und multikulturellen Schweiz ab. Einheimische, Flüchtlinge, Gastarbeiter, Angeheiratete, Schweizer, Serben, Bosnier, Kroaten, Albaner und Slowenen, Türken und Kurden (wie der Filmemacher selbst) leben nah zusammen. Jeder hisst seine Fahne, feiert seine Feste, isst das Essen seines Volkes. Und sie arbeiten Seite an Seite, pflanzen, giessen, jäten und geniessen das bunte, laute und vielsprachige Treiben des Familienalltags. Tag für Tag bauen sie mit Hingabe und Liebe zur Natur an ihrer kleinen Welt auf 120 Quadratmetern.

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Garten Eden oder Welt en miniature?

Schweizer Ordnungssinn und ausländisches Chaos, etwas Ärger, etwas Witz, etwas Integration, etwas Ignoranz. Debatten über die Notwendigkeit eines Spanferkel-Grills. Nostalgische Balkan-Musik von nebenan und immer wieder mal ein Bier, ein gemeinsames Essen und Anhören von Lebensgeschichten, nicht immer mit einem Happy End. Der Untertitel von «Unser Garten Eden» heisst «Geschichten aus dem Schrebergarten». Dieser gefällt mir besser. Denn «Der Garten Eden» löst bei mir andere Assoziationen aus als jene des Films. Das Wort bedeutete doch einst «am Rande der himmlischen Stätte» (sumerisch) oder «das Paradies» (griechisch), und die Genesis erzählt die Geschichte der Vertreibung aus dem «glücklichen Land Eden». Mit dem Titel im Hinterkopf erlebte ich den Anfang des Films, die Generalversammlung des Vereins, an welcher es recht ruppig und primitiv zu und her geht, eher dissonant. Erst im Lauf des Films traten auch die andern Seiten des Schrebergartenlebens in den Fokus, die Konsonanten, die Positiven des Zusammenlebens in den Schrebergärten. Alle Probleme und Konflikte, die aus der grossen Welt, aber auch der Familie und dem Berufsfeld bekannt sind, gibt es auch hier. Der Film zeigt, ich erinnere mich an die Suisse miniature in Melide, sozusagen die Welt en miniature.

In der Schweiz zählt man 375 Gartenareale mit 28'500 Mitgliedern, alle dem Familiengärtner-Verband angeschlossen. Der Regisseur «wollte auf seiner Reise durch Zeit und Raum herausfinden: Was verbirgt sich hinter den Apfelbäumen, hinter den Rosen, den Tulpen, den hohen Bohnepflanzen und Tomatenhäuschen? Was spielt sich in den kleinen Gartenhäusern ab? Ich wollte wissen, wer die Menschen sind, die oft ihre ganze Freizeit im Schrebergarten verbringen.»

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Ist das eine Errungenschaft der Schweizer Demokratie? So fragt man sich am Ende und sucht nach einem tieferen Sinn. Deshalb ist «Unser Garten Eden» von Mano Khalil durchaus mit «Pizza Bethlehem» von Bruno Moll, der gegenwärtig ebenfalls in den Kinos läuft, zu vergleichen. Zwei interessante und anregende Beispiele, wie Integration bewerkstelligt und erfahren werden kann: nämlich menschlich und oft auch allzu menschlich, kaum so, wie es in den Lehrbüchern steht. Doch müssen wir uns, so scheint mir, mit solchen punktuell und kurzzeitig gelungenen Versuchen oft zufrieden geben, ohne jedoch die Vision einer nachhaltigen und umfassenden Integration aus dem Auge zu verlieren. Bekanntlich beginnt jede Reise mit dem ersten Schritt…

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