Mein erster Berg

Erich Langjahr hat mit starken Bildern und urchigen Tönen die Rigi und den Rigi-Älpler Märtel Schindler im Dokumentarfilm «Mein erster Berg» persönlich und schön porträtiert.

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Der 1944 in Baar geborene Erich Langjahr gilt als sorgfältiger und menschenfreundlicher Chronist des Bauerntums, der Sennen, der Landwirtschaft, der Alpen und darüber hinaus der Schweizergeschichte samt ihrem Widerhall im Heute. Er schuf 1978, nach einem Dutzend Kurzfilmen, «Morgarten findet statt» über einen patriotischen Gedenktag, seinen Ablauf, seine Strukturen und Bezüge zur Vergangenheit und die Innerschweizer Gegenwart. 1986 löste er mit «Ex Voto» das persönliche Versprechen ein, die Landschaft seiner Jugend zu filmen. 1990 drehte er den Film «Männer im Ring» über die letzte Männer-Landsgemeinde von Hundwil, welche eine Schweiz zwischen Herz und Verstand und am Vorabend des neuen Europa zur Darstellung bringt. 1996 entstand die «Sennen-Ballade», welche die Frage nach der Identität der Bauern stellt und den Widerspruch, in dem viele sich befinden, bewusst macht. 1998 folgte der «Bauernkrieg» zum Thema desÜberlebens der Landwirtschaft in der Schweiz in einer Zeit der explosiven Liberalisierung und im Rahmen der allgemeinen Globalisierung. 2002 rundete er mit «Hirtenreise ins dritte Jahrtausend» seine Trilogie ab, in welcher er mit seinem wie immer engagierten Blick in die Zukunft des Bauerntums schaut, sich den elementaren Fragen nach der Identität der Menschen und ihrem Überleben auseinandersetzt. Es folgte 2006 «Das Erbe der Bergler» und 2009, mit seiner Frau Sylvia Haselbeck, der Dokumentarfilm «Geburt», in welchem die Zuschauer angehalten werden, die Geburt des Menschen als körperliches, elementares und sinnliches Erlebnis zu erfahren. Mit «Mein erster Berg. Ein Rigi-Film», (2012) kehrt er zu seinen eigenen Wurzeln zurück; als Kind sah er von zu Hause aus die Rigi. Vielleicht wurde dieser Film für Erich Langjahr auch so etwas wie ein Zurück zur ersten Liebe. Ich könnte es gut nachvollziehen, bin ich doch am selben Ort, zur selben Zeit, mit demselben Blick auf die Rigi aufgewachsen.

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Beim Hausbau mit dem Holz des Waldes

Der neue Film überrascht gleich zu Beginn, mehr als mit dem Ton (Hans Kennel) als mit dem Bild. Wuchtig fährt die Musik ein mit urchigen Klängen und Tönen, zwischen Rock und Geräusch angesiedelt und zwischen Alphorn, Büche, Vokal usw. switchend. Später verbindet sie sich auch mal mit einem Jodel. Sie fliesst denn auch hinüber zu den realen Geräuschen und den dazu gehörenden Bildern, wenn der Rigi-Älpler Märtel Schindler mit der Säge Tannen fällt, oder wenn später beim Hausbau die Stämme ineinander verkantet werden, oder wenn er Pfähle für die Umzäunung der Weiden einschlägt. Die Sequenzen aus dem Leben des Älplers Märtel und mit den verschiedenen Ansichten der Rigi sind vor allem gefüllt mit Arbeit, mit Handarbeit, mit Handwerk, mit Härte, mit Durchhalten – und sind eingehüllt in einem grossen, selbstverständlichen Schweigen, was durch die wenigen Stellen, in denen wir sprechen hören, noch verstärkt wird. Angenehm und sinnvoll ist auch das Fehlen jeglichen Kommentars, wodurch der Film sich selbst als «kommentarlos» charakterisiert. Langjahr überlässt es uns, die Bilder des Älplers mit seiner Arbeit, die Bildes des Tourismus wie auch der Männer, die eine Schweizerfahne an die Felswand schnüren, zu werten, zu beurteilen oder zu verurteilen. Er lässt uns zudem im ganzen Film harte Arbeiten als harte Arbeit erleben. Sie wird nicht bloss in zwei, drei Einstellungen angedeutet, sondern wirklich gedeutet: Wir erleben die Arbeit, bis sie sich bei uns einprägt und ihre Bedeutung sich uns öffnet. Wir nehmen Anteil an diesem Tun, das in der Zeit abläuft, an dieser mit Arbeit gefüllten Zeit, dieser mit Zeit gefüllten Arbeit.

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Zugersee am Fusse der Rigi

Erich Langjahr und seine Lebenspartnerin, Assistentin, Co-Realisatorin Silvia Haselbeck zeigen uns in einigen wenigen Sequenzen das Leben auf der Rigi sozusagen als Besuch beim Rigi-Älpler Märtel Schindler, den wir beim Pfählen, beim Hausbau, beim Mähen, beim Kühe und Ziegen Hüten begleiten, aufgelockert durch einen Gang in eine Beiz und beim Alpabzug, ohne dass dabei das Umfeld vernachlässigt wird: etwa der Bau des neuen Wellness-Hotels auf Rigi-Kaltbad, die Touristenströme aus aller Welt, die Verkleidung einer Bergwand mit einer Schweizerfahne und immer wieder mit Bildern der Rigi in den verschiedensten Jahreszeiten und Stimmungen – alles ohne Kommentar, was uns ermöglicht, im Film auch immer «unsere» Rigi zu sehen.

«Nach all den Bergfilmen, die ich gemacht habe», meint Erich Langjahr, «bildet der Film “Mein erster Berg“ den Abschluss meiner filmischen Betrachtung der ländlichen und alpinen Schweiz. Ich bin am Tor zur Innerschweiz aufgewachsen mit Blick auf die Rigi. Seit meiner Kindheit hat mich die mächtige Kulisse dieses Berges beeindruckt. Auch für den Älpler Märtel Schindler ist die Rigi der erste Berg. Er ist dort aufgewachsen und lebt und arbeitet wie schon seine Vorfahren an diesem Tourismus- und Freizeitberg. Ich versuche in diesem Film die Mitte auszuloten, die Mitte einer Landschaft und die Mitte eines Lebensbildes. Dies auch im Sinne eines Zeitbildes aus der Mitte der Schweiz.»

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Mit den Schneeschuhen auf dem Weg

Trailer

www.langjahr-film.ch