Torneranno i prati

Ein Film gegen den Krieg: Ein Grosser des italienischen Neorealismus, der Regisseur Ermanno Olmi, hat mit 83 Jahren einen stillen, eindrücklichen, berührenden und nachhaltigen Antikriegsfilm geschaffen: «Torneranno i prati».
Torneranno i prati

Italienische Soldaten an der österreichischen Grenze

Endlich wieder ein Film von Ermanno Olmi! Viele kennen ihn und seinen wunderschönen «Il posto» aus dem Jahr 1961. Darin sucht der scheue junge Domenico einen Job und verliebt sich gleichzeitig in die hübsche Antonietta, im realen Leben die spätere Ehefrau des Regisseurs. Ein spät-neorealistischer Klassiker. Von seinem umfangreichen Werk, 84 kurze und lange, Spiel- und Dokumentar-, TV- und Kinofilme, kennen wohl noch einige «L'albero degli zoccoli» aus dem Jahre 1978, der das Landleben in der Poebene am Ende des 19. Jahrhunderts schildert und Themen früherer Werke des Neorealismus aufnimmt.

Und nun, im Alter von 83 Jahren, meldet sich Olmi 2014 nochmals zurück mit «Torneranno i prati», einem wichtigen, eindrücklichen und berührenden Antikriegsfilme – weit entfernt von den sogenannten Antikriegsfilmen, wie sie uns vor allem die amerikanische Filmwirtschaft beschert, die genauso gut als Kriegsfilme verstanden werden können.

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Ermanno Olmi, ein Humanist des italienischen Films. de.wikipedia.com

In Erinnerung an Vaters Kriegserzählungen

Fussend auf den Kriegserzählungen seines Vaters drehte Ermanno Olmi seinen vorletzten Film «Torneranno i prati» (Blumen werden wieder darüber wachsen), der im Winter 1914 während des Ersten Weltkriegs in den italienischen Alpen an der österreichischen Grenze, handelt. Die Soldaten beider Lager stehen sich auf diesem Aussenposten nur wenige hundert Meter entfernt gegenüber. Gelegentlich hören und sehen sie sich sogar. Der Film beschreibt den dramatischen, doch manchmal auch langweiligen Alltag, so beim Verteilen des Essens und der Post und beim Wacheschieben. Momentan herrscht Feuerpause. Doch die Soldaten sind erschöpft, ausgelaugt und vom Kampf so schwer gezeichnet, dass einige von ihnen dem Tode näher sind als dem Leben. Die Bilder dieser Männer, oft in sprechenden Grossaufnahmen, werden zu Symbolbildern der Sinnlosigkeit des Krieges.

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Die Soldaten, schwer gezeichnet

Der Alltag im Unterstand

Der Film beginnt still, im Schnee, auf einer Hochebene, überstrahlt vom Licht des Mondes. Ein Soldat singt für seine Einheit, für die Feinde und für sich selbst einige italienische Volkslieder. Doch der friedliche Anblick trügt. Aus der Ferne sind Schüsse und Detonationen zu hören. Wir haben während des ganzen Films das Gefühl, neben den Soldaten im Schützengraben zu stehen, neben ihnen zu liegen, mit ihnen die Umgebung zu beobachten. Einige von ihnen sind krank, verletzt, einsam, erschöpft, verzweifelt. Den Vorstellungen vom eignen Sterben und Tod begegnen sie mit Resignation.

Nachts erhellen Leuchtraketen das Dunkel. Tief unter ihrem Kantonnement hat der Feind, so vermuten sie, einen Tunnel gegraben, von wo aus sie ausspioniert und ihre Unterkunft später zerstört werden soll. Dann nähern sich die Schüsse und Einschläge. Vom Hauptkommando kommt der Befehl zum sofortigen Rückzug, der für einige wohl den sicheren Tod bedeuten wird. Weshalb ein Soldat, bevor ihn draussen der Feind niederstreckt, sich selbst eine Kugel in den Kopf schiesst. Die Truppe macht sich dennoch auf den Weg. Zurück bleiben einige Gefallene, die notdürftig im Schnee begraben werden.

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Leuchtraketen erhellen die Nacht

Schöne, wahre Bilder

Nur sehr selten kommt ein Spielfilm dem Dokumentarfilm so nahe wie «Torneranno i prati». Er ist ein gespieltes Dokument und gleichzeitig ein dokumentarisches (Kammer-)Spiel. Seine Schwarzweiss-Aufnahmen sind mehr als schön, sie sind wahr. Sie zeigen die Schönheit der Natur als verlorene Idylle und gleichzeitig die Verlorenheit der Soldaten im Krieg. Olmi erzählt, unterstützt von seinem Sohn Fabio an der Kamera und Paulo Fresu mit der Originalmusik, von der Absurdität des Krieges und berührt mit seinem Humanismus, der weder auf Religion noch Ideologien basiert. Der Film ist bedrückend ob der Unmenschlichkeit und tröstlich ob der Menschlichkeit.

Die Landschaften, die Wolken und der Schnee, ein Fuchs, ein Hase, eine Maus, ein Esel und Pferde sind stille Zeugen des Lebens. Sie kontrastieren mit den Wunden, dem Blut, dem Weinen, dem Verzweifeln und dem Sterben der Soldaten. Gegen Schluss singt der Soldat nochmals, im Anblick der Feinde, Volkslieder und erhält Aufmunterung von drüben zugerufen. Eine grossartige Symbolik, diese berührende Szene.

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Tote werden notdürftig im Schnee begraben

Der Krieg, die hässliche Bestie

«Mein Vater war neunzehn Jahre, als er ins Heer eingezogen wurde. Er fand sich im Gemetzel im Karst und an der Piave wieder, was seine Jugend und den Rest seines Lebens zeichnete. Ich war noch ein Kind, als er mir und meinem älteren Bruder vom Schmerz des Krieges erzählte, von jenen schrecklichen Augenblicken, wenn man auf den Befehl zum Angriff wartet und weiss, dass einen dort am Rand des Schützengrabens der Tod erwartet.» Mit diesen Worten erklärt Olmi , warum er diesen Film machen musste. Er lässt uns dabei sein bei den Gesprächen der Soldaten über den Alltag im Schützengraben, das ersehnte und kaum mehr geglaubte Ende des Krieges, der Sehnsucht nach den geliebten Menschen, das Leben und das Sterben. Wir erfahren von absurden Befehlen und der Verzweiflung und Reue eines Offiziers, der einen falschen Befehl gegeben hat. Aus dem Tunnel unter ihrer Unterkunft kommt nun der Angriff für die einen und der Rückzug für die andern.

«Torneranno i prati» endet mit Dokumentaraufnahmen aus Wochenschauen mit Szenen des Kampfes und der Heimkehr als gefeierte Helden. Und damit verweist der Film nochmals auf die tiefste Absurdität jedes Krieges; denn nach dem Krieg ist vor dem Krieg. Immer wieder gibt es Sieger und Verlieren, wie man meint, und deshalb immer neue Kriege. Pastor Toni Lunardi, der Feldgeistliche meint: «Der Krieg ist eine hässliche Bestie, die durch die Welt zieht und nie stehen bleibt» und bringt so Ermanno Olmis pessimistischen Humanismus auf den Punkt.

 

Regie: Ermanno Olmi, Produktion: 2014, Länge: 76 min, Verleih: Cinémathèque Lausanne

Der Film wird nur an folgenden Spielstellen gezeigt:
Filmpodium Zürich (www.filmpodium.ch), zwischen 16. und 30. Dezember
Kino Rex Bern (www.rexbern.ch), ab Dezember
Stadtkino Basel (www.stadtkinobasel.ch), ab Dezember
Die Laufzeiten sind in den aktuellen Programmen zu erfragen.