Bashkim

Von der Sprache der Fäuste

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Im Zentrum des Films «Bashkim» von Vadim Jendreyko, 1965 in Bremen geboren, seit 1969 in die Schweiz ansässig, steht der junge Kosovo-Albaner Bashkim Berisha. Ein Filmteam hat ihn während zwei Jahren begleitet. Zu sehen sind Bilder und Szenen, die Fragen stellen, die wir zu beantworten haben.

Zu Beginn des Films war er siebzehn, hatte aber schon ein umfangreiches Jugendstrafregister, durch das sich Raufhändel und einfache Körperverletzungen wie ein roter Faden ziehen. Er stand als talentierter Thai-Boxer, der bereits Schweizermeister war, kurz vor dem Durchbruch. Dann geschah einiges, was sein Leben völlig durcheinander brachte. In seiner Heimat brach Krieg aus. Zwei Cousins, mit Bashkim im selben Haushalt aufgewachsen, wurden erschossen. Das Haus seines Vaters Riza, der als Gastarbeiter in der Schweiz lebte, wurde zerstört. Schliesslich geriet er in eine Schlägerei, in deren Verlauf er zwei Polizisten niederschlug und flüchtete. Er stellte sich, kam in Untersuchungshaft, aus der er acht Monate später, nach der Gerichtsverhandlung, entlassen wurde. In dieser Zeit nahm Bashkim über 25 Kilo zu und war kaum wiederzuerkennen. Es begann das grosse Abspecken mit dem Ziel, in seinem Sport wieder Fuss zu fassen, denn ohne Ausbildung und mit seiner Vergangenheit sieht er keine andere Perspektive. Heute ist Bashkim zwanzig und trainiert für einen Europatitelkampf.

Fragen und Ansätze für eine Antwort

Der Film gibt Einblicke in Bashkims Welt und das Leben der Familie Berisha. Damit stellt er uns Fragen. Er ist entwurzelt, entfremdet, hin- und hergerissen, nirgends zu Hause. Vor allem aber ist er sprachlos, in keiner Sprache «daheim». Er kann das, was er denkt und vor allem empfindet, nicht in Worten ausdrücken, sondern bedient sich der «Faust-Sprache», wie es uns in allen Kriegen weltweit vorgeführt wird. Das bringt ihn selbstverständlich in Schwierigkeiten. Ob die «Strafen-Sprache», bei welcher wir nichts von Resozialisierung vernehmen, der Situation adäquat war, kann bezweifelt werden. Soweit ein Ansatz zu einer Analyse.

Den Ansatz für eine Therapie schlägt Bashkim gleich selbst vor. Ihm wird deutlich, dass er die «Sprache» der Fäuste braucht, wo er die «Sprache der Wörter» gebrauchen sollte. Er müsste also diese für ihn neue «Sprache» lernen. Dies dürfte den meisten von uns nicht neu erscheinen. Der Film liefert dafür jedoch starke Bilder, berührende Erlebnisse, den «Tatbeweis». Er bestätigt die Richtigkeit der Praxis, die landauf, landab im Bildungswesen und in der Sozialarbeit praktiziert wird. Doch müsste in dieser Richtung noch mehr und besser, d.h. verstärkt präventiver gewirkt werden. Sprachkurse sind das eine, «Sprachkurse der andern Art», wo die neuen Konfliktlösungsstrategien gelernt und geübt werden können, das andere. Programme, in denen es für die Jugendlichen darum geht, ruhig zu werden, sich zu konzentrieren, Gefühle zu zeigen und danach zu handeln, mit (demokratischen) Regeln umzugehen, Reaktionen zu ritualisieren, Fairness anzuwenden. «Soziale Kompetenz» nennen das einfach und klar die (verbindlichen) Leitbilder.