Cirkus Columbia
Europa im Jahre 1991: Der Eiserne Vorhang ist gefallen, die Weltordnung in Osteuropa im Auflösen begriffen und die alten Landesgrenzen beginnen sich zu verschieben. In Jugoslawien stehen erste demokratische Wahlen an und einzelne Teilrepubliken machen sich selbständig. Während die Bewohner, aufgerüttelt von den Vorboten eines Bürgerkriegs, die Reise in den Westen antreten, holen andere ihre Waffen hervor, und die dritten zögern und harren aus.
Mitten in dieser brodelnden Situation zieht es den Ex-Bosnier Divko Buntic, nach Jahren im deutschen Exil, zurück nach Bosnien-Herzegowina. Als gemachter Mann fährt er mit der jungen, schlanken Geliebten Azra an seiner Seite im dicken Mercedes in sein Heimatdorf im Süden des Landes ein. Hier trifft er seine Ex-Frau Lucija wieder und lernt endlich seinen gemeinsamen Sohn Martin kennen. Doch dann läuft vieles nicht ganz so, wie er sich das vorgestellt hat. Der Junge erweist sich als höchst widerspenstig, die politische Lage wird immer unsicherer und zudem ist sein Glücksbringer, die kleine schwarze Katze Bonny, eines Tages plötzlich verschwunden...
Eigentlich will er sich hier eine neue Existenz aufbauen, in Ruhe den Rest seines Lebens in seiner alten Heimat verbringen. So souverän wie er damals auf vermeintlich Nimmerwiedersehen verschwunden war, um im Westen sein Leben zu geniessen, liess er doch auch Etliches zurück, an dem sein Herz hängt: Verwandte, Freunde, Bekannte und vor allem die Liebe seines Lebens, seine Ehefrau. Sie war damals bei seinem Auszug schwanger, konnte und wollte ihn nicht begleiten und haust nun mit ihrem Sohn in seinem zerfallenen Elternhaus. Gleich zu Beginn wird sie vom Heimkehrer vor die Tür gesetzt, und es beginnt eine berührende und gleichzeitig heitere Geschichte in einem Mikrokosmos, in welchem Divko, Lucija, Azna und Martin ihren je eigenen Part spielen, welcher jedoch bald erschüttert und durcheinander gebracht wird durch Ereignisse der Weltgeschichte, des Makrokosmos also, bis Dubrovnik bombardiert wird und Krieg näher kommt…
Neun Jahre nachdem Tanović mit «No Man’s Land» sein fulminantes Regiedebüt vorgestellt hat und dem Bürgerkrieg im ehemaligen Jugoslawien mit seinem surrealen Anti-Kriegsdrama ein Denkmal gesetzt hat, kehrt auch der Filmemacher in seine Heimat zurück und schildert die Zeit vor diesem Krieg. Beschwingt, leichthändig mit einer fast väterlichen Zärtlichkeit schildert er in seinem vierten Spielfilm «Cirkus Columbia», wie sich seine Protagonisten durch ihr wegen der politischen Ereignisse zunehmend chaotischeres Beziehungs- und Gefühlsleben strampeln. In vielem erinnert der Film an die heiter bösen Filme des Prager Frühlings. Der neue Film von Danis Tanović ist eine Ode an das Leben und die Fähigkeit, zu lieben und sich in den absurdesten Situationen immer wieder neu einzurichten, erzählt als intime Kleinstadtgeschichte mit universellem Charakter und getragen von herausragenden Darstellern, vor allem des alten und neuen Paares.