Forbidden Voices

Unterdrückt, verboten und zensuriert: Der Film «Forbidden Voices» erzählt von drei Bloggerinnen in Kuba, Iran und China, die unter Lebensgefahr arbeiten. Yoani Sánchez, Farnaz Seifi und Zeng Jinyan lassen sich von ihren diktatorischen Regimen nicht einschüchtern.

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Die jungen Frauen repräsentieren eine vernetzte Generation moderner Widerstandskämpferinnen, die mit ihren Blogs, mit Facebook, Youtube und Twitter das staatliche Informationsmonopol ihrer Länder ins Wanken bringen.

Die Schweizer Dokumentaristin Barbara Miller begleitet die modernen Rebellinnen auf ihrer entbehrungsreichen und gefährlichen Reise und zeigt, wie sie mit Hilfe der neuen sozialen Medien die Missstände in ihren Ländern anprangern, dabei politischen Druck aufbauen und weltweit Resonanz auslösen. Das «Time Magazine» zählt sie zu den einflussreichsten politischen Stimmen der Welt. Basierend auf ihren bewegenden Zeugnissen und geheimen Aufnahmen wird «Forbidden Voices» zu einer Hommage an ihren mutigen Kampf.

Die Bloggerinnen und ihr Werk ...

Vor der Eröffnung ihrer Blogs führten die drei Frauen aus den unterschiedlichsten Kulturen und politischen Brennpunkten ein ganz normales Leben. Erst durch ihre Äusserungen im Internet wurden sie zur Bedrohung für die Machthaber ihrer Länder.

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Yoani Sanchez ist die erste Kubanerin, die unter ihrem richtigen Namen mit Hilfe ihres Blogs das Regime kritisierte und Fidel Castro provozierte. Ihre Millionenleserschaft und ihr furchtloses Engagement machen sie zu einer der bekanntesten Bloggerinnen der Welt. Sie setzt sich für Meinungs- und Pressfreiheit ein, obwohl die Regierung versucht, sie mit Gewalt zum Schweigen zu bringen, und sie dabei ihr Leben riskiert.

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Die Iranerin Farnaz Seifi ist eine Internet-Pionierin ihres Landes und kämpft mit ihrem Blog und politischen Kampagnen gegen die Diskriminierung der iranischen Frauen und den Fundamentalismus im Land. Das Regime zensurierte ihren Blog und verhaftete sie. Ihr blieb einzig die Flucht ins Exil, von wo aus sie ihren Kampf unermüdliche weiterführt.

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Die chinesische Menschenrechtsaktivistin Zeng Jinyan prangert mit ihrem Engagement im Internet die Menschenrechtsverletzungen in ihrem Land an und kämpft für die Freilassung ihres gefangenen Mannes, des Bürgerrechtlers Hu Jia. Sie steht dafür seit über vier Jahren mit ihrer kleinen Tochter unter Hausarrest, von wo aus sie sich jedoch weiter für ihre Forderungen engagiert.

Die drei Protagonistinnen stammen aus unterschiedlichen Ländern, doch ihre Anliegen und Ziele sind dieselben. Aus ihrer ganz persönlichen Sicht stellen sie politische und gesellschaftliche Forderungen ins Netz, drücken in ihren Blogs aber auch Verletzlichkeit und Ängste aus. In ihren Internet-Aktivitäten und in ihrem Alltag setzen sie sich für Menschenrechte, Pressefreiheit und Demokratie ein, auch wenn sie dabei drakonische Strafen und sogar ihr Leben riskieren. Die Bloggerinnen geben bis jetzt trotz allen Repressalien und zeitweiligen Rückschlägen nicht auf.

… der Film darüber

«Forbidden Voices» nimmt das Kinopublikum auf eine spannende Reise mit, bei welcher es die Höhen und Tiefen des täglichen Kampfes der drei Frauen hautnah miterlebt. Doch ganz anders als im Cyberspace, wo sich eine Überflussgesellschaft im Eskapismus vergnügt, ist das Leben in den sozialen Netzwerken beschwerlich und voll Hindernissen, denn in realen diktatorischen Gesellschaften ist der individuelle Handlungsspielraum eng.

Der Film spürt den Schwierigkeiten, aber auch Erfolgen nach, welche die Bloggerinnen mit ihren Revolten hervorrufen und macht sich auf Spurensuche nach Auswirkungen und Chancen ihres Engagements. Er geht auch der Frage nach, ob die jungen Rebellinnen mit ihrer öffentlichen Kritik in ihren Ländern wirklich gesellschaftsverändernde Prozesse in Gang setzen. Diese Kinodokumentation fordert eine grundlegende Reflexion.

 

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… und die Auseinandersetzung dazu

Erste Reaktionen während des Films sind sicherlich ein Staunen über die Möglichkeiten der neuen sozialen Medien und ein grosser Respekt vor dem Mut der Bloggerinnen im Kampf für Freiheit und Menschenrechte. Doch schon bald wandelt sich diese Reaktion wohl in Wut und Empörung über das, was bei uns in der so genannten freien Marktwirtschaft unter Freiheit verstanden wird, nämlich die «freie Wahl» einer Zahnpasta, Zigarette, eines Getränks oder Autos. Bei der Manipulation in China, Iran und Kuba zeigt sich, der Globalisierung sei Dank, wie raffiniert und wissenschaftlich ähnliche Prozesse auch bei uns ablaufen. Für eine vertiefte (historische) Medienkritik verweise ich auf drei Standardwerke: von Huxley, Orwell und Anders. Und dann ist zu fragen, wozu dieser Film viele Impulse gibt, nach dem radikal Anderen der neuen sozialen Kommunikationsmittel.

Im Roman «Brave New World», 1932 von Aldous Huxley publiziert, wird eine Gesellschaft beschrieben, in der Stabilität, Frieden und Freiheit gewährleistet scheinen: mittels physischer Manipulationen der Embryonen und Föten, der mentalen Indoktrinierung der Kleinkinder und der Konditionierung auf eine permanente Befriedigung durch Konsum, Sex und die Droge Soma, unschwer als die Massenmedien zu erkennen. Damit wird den Mitgliedern der Gesellschaft das Bedürfnis zum kritischen Denken und Hinterfragen ihrer Weltordnung genommen. – Im Blick auf heute dürfte damit wohl die wissenschaftliche Manipulation des Unterbewusstseins in der Konsumgesellschaft gemeint sein.

«1984» heisst der Roman von George Orwell, den er 1948 beendet hat, und in welchem das Funktionieren eines totalitären Überwachungs- und Präventionsstaates im Jahre 1984 dargestellt wird. Protagonist der Handlung ist Winston Smith, ein einfaches Parteimitglied, das sich den widrigen Umständen zum Trotz seine Privatsphäre sichern will, dadurch aber in Konflikt mit dem System gerät, das ihn einer Gehirnwäsche unterzieht. Der Titel spielt mit der Umkehrung der Jahrzahl, die auf eine damals sehr fern erscheinende Zukunft verweist. – Im Blick auf heute dürfte hier vor allem die Manipulation des Menschen in totalitären Systemen, wie der im Film beschriebenen, gemeint sein.

Günther Anders, 1902 bis 1992, der österreichische Philosoph, Schriftsteller und Dichtge, beschäftigte sich lebenslang mit den technischen und ethischen Herausforderungen seiner Zeit und der Zerstörung der Humanität. So war er auch Mitbegründer der Antiatombewegung, Technikkritiker und Medienphilosoph. Ungeachtet seiner Distanz zur wissenschaftlichen Hochschulphilosophie wird er weiter als intellektueller Herausforderer wahrgenommen. – Im Blick auf heute ist seine Radikalkritik, nach Brecht, Benjamins, Enzensberger und Baudrillard, ebenfalls radikal neu zu denken angesichts der neuen sozialen Medien, wie sie beim «arabischen Frühling» eine Rolle spielen und im Film «Forbidden Voices» im Mittelpunkt stehen.

Podiumsgespräche zum Film und zum Thema

Im Rahmen des Filmstarts finden in Zürich, Bern und Basel Podiumsgespräche statt.

3. Mai: Zürich, 19:00 – 21:00 Uhr, NZZ-Foyer, Podiumsgespräch mit Filmausschnitten: «Internetsicherheit, Internetzensur und Informationsfreiheit»

In Zusammenarbeit mit Reporter ohne Grenzen. Einleitung: Barbara Miller (Regisseurin), Teilnehmer: Andy Müller-Maguhn (Chaos-Computer-Club Berlin), Pascal Gloor (Vize-Präsident Schweizer Piratenpartei), Dominique Strebel (Redaktor Beobachter und Blogger Justizblog), Mauro Vignati (VBS, MELANI), Moderation: Josefa Haas (Leiterin Medieninstitut des Verbands Schweizer Medien). Eintritt frei, Anmeldung an buesser@rsf-ch.ch.

3. Mai: Bern, 18:30 Uhr, cineMovie 1, Filmvorstellung mit anschliessendem Podium

In Zusammenarbeit mit Amnesty International. Teilnehmer: Farnaz Seifi (Protagonistin), Stella Jegher (Leiterin Kommunikation von Amnesty International Schweiz), Moderation: Alexander Sury (Co-Leiter des Bund-Kulturressorts).

10. Mai: Basel, 18.30 Uhr, kult.kino camera, Filmvorstellung mit anschliessendem Podium

In Zusammenarbeit mit Amnesty International. Teilnehmer: Barbara Miller (Regisseurin), Antonia Bertschinger (Iran-Expertin von Amnesty International Schweiz), Moderation: Christina Caprez (Radio DRS 2)

www.filmcoopi.ch