Gianni e le donne

Gianni di Gregorios gelungene Fortsetzung des Films «Pranzo di ferragosto»

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Gianni (gespielt von Gianni di Gregorio selbst) ist etwas über sechzig, charmant, gut aussehend und attraktiv wie ein 20-Jähriger. Er hilft seiner Ehefrau, die im Gegensatz zu ihm einer geregelten Erwerbstätigkeit nachgeht. Zudem hat er tausend andere Verpflichtungen: Einmal beanspruchen ihn seine Tochter, deren Freund und diverse jüngere und ältere Nachbarinnen. Weiter umsorgt er gewissenhaft den Hund einer sehr jungen Schönheit im Quartier. Doch dann gibt es noch die tyrannische Mutter (Valeria de Franciscis Bendoni in einer Glanzrolle italienischer Komik), die verarmte Adelige, die aus «Pranzo di ferragosto» bekannt ist, kümmert sich einen Deut darum, ob ihr allerletztes Geld für teuren Champagner und Lachsbrötchen bei Partys mit ihren zahlreichen Gästen draufgeht. Giannis Alltag besteht aus Einkäufen, mit den Hunden spazieren und Hausarbeiten, bis er eines Tages genug hat von der grossen Undankbarkeit der Welt.

Sein Freund Alfonso öffnet ihm die Augen: Alle gleichaltrigen, aber auch viel ältere Männer als er hätten eine Geliebte, das sei normal. Zuerst ist Gianni etwas konsterniert über die unerwartete Entdeckung, freundet sich dann aber schnell mit dieser schönen Verheissung an. Da wäre doch Gabriella, seit Jahren bewundert und doch bis heute noch nie umgarnt, ebenso Valeria, Giannis grosse erste Liebe, oder die Pflegerin seiner Mutter, die wunderschöne Cristina. In der Tat, Gianni ist umgeben von unzähligen, begehrenswerten Frauen! Da heisst es, mit Turnübungen den Body in Form bringen. Und auch sonst kommt er ganz schön in einen Stress. Nach ersten Gehversuchen in der neuen Rolle hatte sich Gianni seine glanzvollen Eroberungen des schönen Geschlechts eigentlich etwas anders vorgestellt...

Gianni di Gregorio, der Regisseur und Hauptdarsteller

Er wurde in Rom, im Stadtviertel Trastevere geboren, wo er auch heute noch lebt und arbeitet. Schon als Kind entwickelte er eine Leidenschaft für das Kino. Nach der Schule ging er nachmittags in die kleinen Kinos des Quartiers, wo er bis zu drei Filme am Tag reinzog. Nach der Matura schrieb er sich an der Universität für Literaturwissenschaften ein, brach das Studium aber ab, um sich in der Accademia di arti sceniche di Roma einzuschreiben. Er besuchte Kurse unter der Leitung von Alessandro Fersen und beendete seine Studien mit einem Diplom in Regie und Schauspiel. Während drei er Jahre gehörte er zum Theaterlabor von Fersen, das ihm die Zusammenarbeit mit der Gruppe von Bob Wilson, Grotowski, Kantor und Chaikin ermöglichte. In diesem Rahmen entstand die Theatervorstellung «Leviathan», die 1976 im Festival von Spoleto aufgeführt wurde.

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Der Weg zum Film…

Nach seiner dreijähriger Tätigkeit als Regieassistent und Schauspieler im Theater wurde für ihn der Film «Mean Streets» von Martin Scorsese zum Wendepunkt. Er beeindruckte ihn so sehr, dass er in das Filmbusiness wechselte, anfänglich als Regieassistent und später als Drehbuchautor. 1986 schrieb er für Felice Farina das Drehbuch zum Film «Sembra morto ma e solo svenuto», der am Festival von Venedig den Preis des Internationalen Filmkritikerverbandes gewann, im selben Jahr für Marco Colli das Drehbuch zum Film «Giovanni senza pensieri», der den Gran prix du jury am Festival in Annecy holte. Es folgten Drehbücher und Regieassistenzen bei Matteo Garrone. Aus dieser Zusammenarbeit entstand 2000 «Estate romana», gefolgt von «L’imbalsamatore» und «Primo amore». 2007 schrieb er mit andern zusammen das Drehbuch zu dessen «Gomorra». Ein Jahr später begann er mit der Arbeit zu seinem ersten eigenen Film, «Pranzo di ferragosto», einem kleinen Film mit grossem Erfolg, der sowohl Kritik wie Publikum begeisterte. Damit gewann er in Venedig den Preis Luigi de Laurentiis als bestes Erstlingswerk und wurde mit den Preisen «David di Donatello» und «Nastro d’argent» als bester neuer Regisseur gefeiert.

«Gianni e le donne» ist di Gregorios zweiter Film. Er wurde 2011 an der Berlinale gezeigt. Wie naturwüchsig entwickelt er sich aus dem ersten heraus: La Mama macht weiter Action und Gianni schlägt sich weiter durch die illustre Damenwelt. Ähnlich bleibt auch seine Rolle als «Hahn im Korb» in dieser luftig-leichten Sommerkomödie mit den schönen und lustigen Altherren-Sexträumen. – Wie lange, so frage ich mich, müssen wir wohl noch warten, bis Frauen die Rolle als «Hennen im Korb» übernehmen: in Gesprächen und Witzen, in Geschichten und Erzählungen, in Filmen – und im Leben?

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… und zur Commedia italiana

Nun, da der Furor um die Greise und Greisinnen im ersten Film etwas abgeflaut ist, mag sich di Gregorio gesagt haben, sollen die ganz Alten nicht mehr so offensichtlich im Zentrum seiner Stand-Up-Komödie stehen, sondern jene der etwas Jüngeren: die Figur seines Namensvetters und «Alter ego». Dieser Gianni ist, im Gegensatz zu jenem, verheiratet, frühpensioniert und hat eine halbwüchsige Tochter. Doch die anspruchsvolle bis nervende Mutter ist immer noch da, wird von der gleichen, inzwischen 95-jährigen Schauspielerin verkörpert, einer rüstigen Dame, die vor zwei Jahren ihr Leinwanddebüt gegeben hat und jetzt vom Schauspielern nicht mehr lassen kann. Das Spiel der beiden Protagonisten macht den Film unterhaltend und wertvoll, die Geschichte allein würde nicht genügen, ihr fehlt nach meiner Meinung etwas an Tiefe, wie man sie etwas aus Filmen mit ähnlicher Thematik des italienischen Neorealismus kennt und bewundert.

Trailer zum Film