Hebammen – Auf die Welt kommen
(c)Daniel Leippert
Der Bauch der Mutter als Welt des heranwachsenden Kindes
Auf die Welt kommen: der Prolog
«Meine Tochter, mit der alles begann, geht unterdessen in die erste Klasse.» So lädt uns Leila Kühni, die 1970 in Burgdorf geborene, nach Studien- und Wanderjahren ausgebildete Regisseurin zu ihrem ersten langen Dokumentarfilm «Hebammen – Auf die Welt kommen» ein. Zu einem Werk, das fundamentale und existenzielle Augenblick des menschlichen Lebens zum Thema hat, auch wenn diese im gesellschaftlichen, kulturellen Diskurs nur wenig präsent sind. – Darüber mehr am Schluss.
Mit ihrem Film wird dieses Manko erwidert und zum Guten gewendet. Nur selten habe ich in einem Film so viel Menschlichkeit und Liebe in der Schilderung eines Berufsalltags erlebt wie hier.
(c) Steff Bossert
Von der Hebamme an die Brust der wartenden Mutter
Vielfältige Formen und Methoden des Gebärens
Der Alltag der Hebammen bewegt sich an der entscheidenden Schwelle, wo neues Leben in die Welt eintritt. Interessiert und behutsam stellt uns die Regisseurin die Hebammen bei der Arbeit vor, welche die Frauen während der Schwangerschaft bis zur Geburt mit Kompetenz und Professionalität, Anteilnahme und sympathischer Menschlichkeit ausüben.
(c)Steff Bossert
Im Hörkontakt bereits mit dem ungeborenen Kind
Mit Helena Bellwald aus dem Berner Oberland tauchen wir in die Welt der Hausgeburten ein. Für sie sind Schwangerschaften und Geburten etwas ganz Natürliches, das am besten gelingt, wenn man möglichst nicht eingreift, ausser wenn es medizinisch verlangt wird. Im Vordergrund steht für sie, wie auch für die andern Hebammen, die Selbstbestimmung der Frau. Die Hebamme begleitet die werdenden Mütter während der Schwangerschaft, der Hausgeburt und im Wochenbett, ebenso die werdenden Väter und gelegentlich deren Kinder, unterstützend und tröstend, wenn Eltern ein Kind verlieren. Ruhig, schweigend, mit Empathie und mit Ernst gehen die Fachfrauen ihrer Arbeit nach, die sie, wie es herüberkommt, als Berufung leben.
(c)Aurelio Buchwalder
In einer Geburtsklinik hat gute Organisation hohe Priorität
Lucia Mikeler ist eine Beleghebamme und geht mit den Frauen für die Geburt ins Spital, nachdem sie diese zu Hause in Gesprächen und mit Informationen vorbereitet hat. Für sie ist es wichtig, dass die Frauen ihre Geburten so gestalten können, wie sie es für richtig halten.
Jeanette Gröbli, Sara Lehner und ihr Team im Bethesda Spital lassen uns dabeisein, wenn im Hintergrund die Arbeit durchgetaktet ist und im Vordergrund ruhige Anteilnahme gelebt wird, hier wie in andern Spitälern, wo schweizweit 96 von 100 Geburten stattfinden. Die Hebammen sehen die Frauen zum ersten Mal, wenn sie mit Wehen ins Spital kommen, und verabschieden sich von ihnen nach der Geburt.
(c) Leila Kühni
Aus dem Bauch ins warme Wasser und an die Mutterbrust
Alle Hebammen haben ein gemeinsames Ziel: gesunde Mütter und gesunde Kinder. Dazu gibt der Film einen intimen Einblick in die natürlichste Sache des Lebens, als was sie ihre Arbeit gern bezeichnen. Dies fasziniert Beteiligte wie Aussenstehende, einerseits als Wunder des Lebens, andererseits als hochriskantes medizinisches Ereignis. Ohne zu werten gelingt es der Filmemacherin und ihrem Team, verschiedene Überzeugungen und Wertvorstellungen gesunden und glücklichen Lebens nebeneinanderzustellen, was der Hebammen-Film zu einem Film über das Leben macht.
(c)Aurelio Buchwalder
Auch eine Hebamme flippt mal aus vor Freude über eine gute Geburt
Vom Prolog zum Epilog
Warum erhält die Geburt, im Gegensatz zum Tod, öffentlich nur wenig Beachtung? Das fragte ich am Anfang. Weil der Tod meist mit Trauer und Schmerz daherkommt? Weil er in den Medien oft laut und aggressiv verbreitet wird? Weil die Geburt immer intim, der Tod vielfach öffentlich ist? Weil bei den publizierten Todesbildern häufiger Männer agieren? Weil meistens Männer töten, dies nicht erst seit dem Ukraine-Krieg und der Diskussion über Fememorde? Solche und ähnliche Fragen fordern heraus. Was der Film über Schwangerschaft und Geburt auf wunderbare Weise zeigt, könnte, dürfte, sollte, so meine ich, doch eigentlich weiterwirken und in unser aller Leben hineinstrahlen.
(c) Daniel Leippert
In guter Hoffnung auf ein Geschwisterchen
Von der Geburt bis zum Tod
Die Freude und Glück verbreitenden Bilder und Worte der Wertschätzung, Sorgfalt, Hingabe, Anteilnahme, Zuneigung, Nähe – eine allumfassende Menschlichkeit also – müssten doch in den Jungen, wenn sie in die Zukunft blicken, wie den Alten, wenn sie in die Vergangenheit schauen, weiterleben, selbst da wo sie Alltagsroutine abgestumpft hat. Was der Film «Hebammen – Auf die Welt kommen» von Leila Kühni und ihrer Crew mit seiner das ganze Leben umspannenden Botschaft uns zeigt, können wir, eins zu eins, übernehmen, um unser Leben besser zu verstehen und zu gestalten, um intensiver und erfüllter zu leben, von der Geburt bis zum Tod.