How About Love

Zerrissen zwischen Liebe und Engagement

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Fritz und Lena

Fritz ist beseelt und besessen von seiner Arbeit als Herzchirurg. Auf Drängen seiner Frau Lena unternehmen die beiden eine gemeinsame Urlaubsreise in den Norden Thailands. Dort besuchen sie einen früheren Arztkollegen, der in einem abgelegenen Flüchtlingslager nahe der burmesischen Grenze dringend benötigte ärztliche Versorgung leistet. Von den Verhältnissen überrascht und tief berührt entschliesst er sich, einige Zeit länger zu bleiben und mitzuhelfen, während seine Frau zu den Kindern in die Schweiz zurückkehrt.

Fritz kümmert sich mit Hingabe um die Menschen im Camp. Er erhält einen ungeschminkten Einblick in eine radikal andere Realität und taucht ein in diese unbekannt, neue Welt. Während sein Schweizer Leben zunehmend in den Hintergrund tritt, lernt er Say Paw kennen, eine burmesische Flüchtlingsfrau, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, Erfahrungsberichte von anderer Vertriebenen zu sammeln und aufzuschreiben.

Zerrissen zwischen den Welten gerät Fritz in einen Strudel von Gefühlen und Verstrickungen. Er muss herausfinden, was er als einzelner wirklich tun und bewirken kann – und er findet am Schluss eine unkonventionelle Lösung, die sein Leben und das seiner Familie in der Schweiz nachhaltig verändern wird.

Zum politischen Hintergrund

Es wird geschätzt, dass zurzeit in Burma etwa zwei Millionen Binnenflüchtlinge leben, in Thailand knapp 110’000 in neun Lagern entlang der Grenze, viele schon seit zwanzig Jahren, ohne Hoffnung auf Veränderung oder Rückkehr. Zudem ist mit einer Dunkelzimmer von weit über einer Million illegaler Burmesen in Thailand zu rechnen.

Burma ist neben Afghanistan das asiatische Land mit den meisten Minenopfern. Die Militärjunta, die das Land seit 48 Jahren diktatorisch regiert, gab bekann, dass es 2010 eine Mehrparteienwahl geben werde, was die demokratischen Parteien jedoch bezweifeln.

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Say Paw und Fritz

Zum Regisseur

Stefan Haupt wurde 1961 in Zürich geboren, war Musiker, dann Theaterpädagoge und arbeitet seit 1989 als Filmemacher und Gründer von Fontana Film GmbH.

In einem kleineren Kreis wurde er durch ein mit einfachen Mitteln gedrehtes, sensibles Filmporträt einer höchst originellen 90-jährige Frau in Vancouver, «I’m Just a Simple Person», bekannt. Ein musikalisches Thema behandelte seine nächste Arbeit «Increschantüm» über die Engadiner Volksmusik-Formation «Ils Fränzlis da Tschlin». Mehrfach ausgezeichnet und einer breiten Öffentlichkeit bekannt wurde er 2001 mit seinem Spielfilmerstling «Utopia Blues» über einen Jugendlichen, der ausbricht und seinen eigenen Weg gehen will. International fiel er auf mit seinem Dokumentarfilm «Elisabeth Kübler-Ross – dem Tod ins Gesicht sehen». Es folgte der Fernsehspielfilm «Moritz» über den Dorfkonflikt eines 10-jährigen Jungen wegen, der vorübergehend bei zwei Schwulen wohnt. Zusammen mit Christian Davi, Kaspar Kasics und Fredi M. Murer lieferte er mit «Downtown Switzerland» eine politische Standortbestimmung der Schweiz im Herbst 2003. Es folgte der erschütternde, mehrfach ausgezeichnete Dokumentarfilm «Ein Lied für Argyris» über Argyris Sfountouris, der seit der Nazizeit bis heute für den Frieden und gegen den Krieg eingetreten ist.

Und nun stellt sich Stefan Haupt mit «How About Love» einer der Existenzfragen des modernen Menschen: Wie kann ich als ein Privilegierter der Ersten Welt ein glückliches Leben führen und gleichzeitig in der Dritten Welt den Menschen helfen? Und er macht es sich dabei nicht leicht. Der Film leuchtet das Thema aus und spricht auch an, wie im Glücklich-Sein gelegentlich der Wunsch steckt, den Partner zu besitzen, und wie im Lindern der Not oft etwas von einer Angst lauerst, vor sich selbst zu fliehen. Komplex, zwiespältig, widersprüchlich, unentwirrbar sind die ehrlichen Aussagen dieses Films. Von «Guttun als Sucht» bei Fritz und von «Überdosis  Melodram» im ganzen Werk zu sprechen, finde ich deplatziert. Dass es dabei zwar keine allgemein gültige, abschliessende Antwort gibt, liegt auf der Hand. Diese hat jede/r selbst zu suchen.

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Burmesische Menschen auf der Flucht

Eine Reise ins Fremde, die im eigenen Herz endet…

«Wir leben unser Leben hier in der alltäglichen Normalität – und keine zwölf Flugstunden weit entfernt findet ein völlig anderes Leben statt, das verschiedener nicht sein könnte. Dies sprengt unser Vorstellungsvermögen und gibt gleichzeitig ein Gefühl für die Weite dieser Welt, die so viel unfassbarer und vielfältiger ist, als es uns das Schlagwort „Globalisierung“ glauben machen will», meint Haupt.
Die Filmidee trug er schon seit Jahren mit sich herum. Genährt wurde sie durch Erlebnisse als Austauschstudent, als er siebzehnjährig bei einer amerikanisch-pakistanischen Gastfamilie in einer abgelegenen Ortschaft in Pennsylvania verbrachte. Später hat ihn die Erfahrung nachhaltig begleitet, wie seine Eltern anfangs der 80er-Jahre zwei junge kambodschanische Flüchtlinge bei sich zuhause aufgenommen hatten, welche die Gräuel des Pol-Pot-Regimes am eigenen Leibe erfahren hatten.
Zutiefst ist «How About Love» ein Film über die Liebe, über die Zerrissenheit, Ohnmacht und Sehnsucht, über Schuld und Verantwortung, die die Liebe mit sich bringen kann. Ein Film mit der brennenden Frage nach unserer Fähigkeit zu wirklicher Anteilnahme und Liebe. Im ersten Teil des Films ist das «Leben in der Schweiz» und das «Leben in Thailand» klar und eindeutig. Im zweiten werden die Grenzen zwischen den beiden aufgeweicht, die Antworten in Frage gestellt: Hat die Entwicklungshilfe einen Sinn? Welchen? Ist die Ehe und Kleinfamilie bei der Lösung der Grundfragen der Welt geeignet? Wie gelebt? Erst mit dem Schlussbild – Gian trägt das Baby Katana auf dem Arm zu Lena und Fritz – scheint mir Stefan Haupt eine schöne Lösung anzudeuten, die ich nicht in Worte übersetzen möchte.

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Lena traurig und wütend über Fritz

What about «How about Love»? – Aus einem Interview von André Grieder mit dem Regisseur

Was war für diese Geschichte zuerst in Ihrem Kopf: das Camp in Thailand oder die Familie in der Schweiz?

Ich stand vor sieben Jahren zuhause auf dem Balkon und hatte plötzlich eine Szene vor Augen: Ein Arzt namens Fritz Reinhard, der nach einem langen Auslandsaufenthalt zurück nach Zürich kommt, und über den ein Freund an einer Party sagt, Fritz sei ein Sauhund, der ganz Asien operieren würde, nur um dort bei seiner schönen Geliebten bleiben zu können. Diese Balkon-Idee stand am Anfang von «How about Love».

Dann recherchierten Sie gründlich die Situation burmesischer Flüchtlinge. Mussten Sie die Situation der Schweizer Familie auch recherchieren?

Nein. Ich habe vier Kinder und bin verheiratet, ich kenne also das Familienleben. Mehr Autobiografisches steckt aber nicht im Film.

Ihre bisherigen Filme waren dokumentarisch oder beruhten auf wahren Begebenheiten. «How About Love» ist eine fiktive Geschichte. Ihr Gestaltungsspielraum war also grösser. War das eine Erleichterung?

Dokumentarisch zu arbeiten empfand ich nie als einschränkend. Die Balkon-Idee liess mich einfach nicht los und ich wusste, dass ich diese Geschichte von Fritz erzählen musste, erzählen wollte. Doch durch die Arbeit daran und die genauen Recherchen des Hintergrundes erhielt auch diese Geschichte gewissermassen die Qualität des Realen.

Ihr Fritz ist in «How About Love» kein Sauhund. Eher ein Mann mit humanistischem Geltungsdrang. Ist das typisch schweizerisch?

Als Geltungsdrang würde ich das nicht bezeichnen, eher als Sehnsucht. Die Schweiz hat eine lange humanitäre Tradition, wir kennen die Geschichten von Menschen wie Lotti Latrous, Beat Richner oder René Prêtre. Solche Figuren sind bei uns relevant. Latrous, Richner und Prêtre wurden denn auch zur Schweizerin respektive zum Schweizer des Jahres gewählt.

Fritz hat eine verständnisvolle Frau, aufgeweckte Kinder und einen sinnvollen Job: Er ist Herzchirurg. Trotzdem ist er auch ein Leidender. Sein Leiden kommt im Vergleich zur Situation der burmesischen Flüchtlinge als Luxus daher.

Ich hätte Fritz zum Schönheitschirurgen machen können, dann wäre zumindest seine Sinnsuche vielleicht plausibler. Aber mir wäre das zu plakativ gewesen. Ja, sein «Leiden» ist gerade im Vergleich tatsächlich ein reiner Luxus. Und doch ist Leiden immer auch subjektiv und seltsam schlecht vergleichbar.

Fritz droht ein Burnout. Er erkennt das nicht, seine Frau hingegen schon. Typisch männlich?

Fritz entspricht dem Bild eines heutigen Mannes, der mit allen Mitteln alles unter einen Hut bringen will: erfolgreiche Karriere, guter Vater, sensibler Ehemann. Der Hamster rennt und rennt...

Seine Frau schlägt Fritz gemeinsame Erholung in Thailand vor. Der Hamster rennt dort bald weiter. Auch, weil nichts ausgesprochen wird zwischen Fritz und seiner Frau sowie seinem Vater. Und vieles unklar bleibt zwischen Fritz und seiner burmesischen Geliebten. Kranken wir allgemein an einem Kommunikationsdefizit?

Fehlende Kommunikation ist jedenfalls nicht nur eine schweizerische Spezialität. Und einiges kommt ja dann im Laufe der Zeit schon ans Tageslicht. Vielleicht müssen wir uns aber auch einfach damit abfinden, dass die Welt zu komplex ist, um tatsächlich durchschaut und verstanden werden zu können.

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Seit 48 Jahren eine Militärjunta

http://www.howaboutlove-film.ch