Monsieur Lazhar

Leben im Biotop einer Schule:Der frankokanadische Spielfilm «Monsieur Lazhar» von Philippe Falardeau zeigt eindringlich und menschenfreundlich zugleich das gemeinsame Leben in schwierigen Zeiten am Beispiel eines Lehrers und zweier Schüler, die je ein Geheimnis haben.

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Der 50-jährige Algerier Bachir Lazhar lebt in Montréal. Als er in der Zeitung vom Tod einerGrundschullehrerin erfahren hat, bewirbt er sich kurzerhand als Ersatzlehrer und bekommt die Stelle. Die Klasse kann mit ihrem neuen Lehrer zunächst nicht viel anfangen. Lazhar kommt für sie aus einer anderen Welt. Er wählt für seine Diktate Texte von Balzac, den seine Schüler nicht kennen und für ebenso altmodisch halten wie ihn. So stark der anfängliche Argwohn auch innerhalb der Schulleitung gegenüber seinen ungewöhnlichen Methoden ist, so gross wird allmählich deren positive Wirkung bei den Schülerinnen und Schülern: Diese öffnen sich und akzeptieren ihren Lehrer als Vertrauensperson in ihrer belastenden Situation nach einem tragischen Ereignis, das zwei Kinder seelisch nachhaltig verletzt hat. Was niemand weiss: Auch Bachir hat einen schweren Schicksalsschlag seines früheren Lebens zu verarbeiten.

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Wer ist ein guter Lehrer?

Was sich im komplexen Raum der Schule – ihrem Biotop sozusagen – ereigent, ist ein berührendes, trauriges und gleichzeitig versöhnliches Spiel zwischen den Kindern, den Kindern und Erwachsenen und den Erwachsenen untereinander: zum Teil tragisch, zum Teil komisch. Bachir verfolgen Ereignisse und Gefühle der Zeit seiner politischen Verfolgung. Die zwei Kinder, Simon und Alice, haben in ihren jungen Jahren einen Schock erlitten, den sie verarbeiten müssen. Allen Drei leiden daran, sich schuldig zu fühlen, auch wenn sie es in Wirklichkeit nicht sind. Und der «kleine Dicke» der Klasse, den man gerne hänselt, erzählt unvermittelt, dass auch er tief innen verwundet wurde. Gleichwohl oder vielleicht gerade deshalb entsteht in dieser Klasse langsam ein Gemeinschaftsgefühl, das es den jungen Menschen möglich macht, erwachsen zu werden und ihr Leben in ihre Hände zu nehmen.

Zwischen den Sequenzen mit den Kindern im Mittelpunkt erzählt der Film von den Schwierigkeiten, welchen die Lehrpersonen dieser Schule – doch wohl auch anderswo – ausgesetzt sind: Sie sollen authentisch sein und in den Klassen ein menschenfreundliches Klima schaffen, obwohl man ihnen, vor allem den männlichen, verbietet, dies spontan zu zeigen und auszudrücken.

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«Monsieur Lazhar» zeichnet sich dadurch aus, dass er nicht ein einzelnes Thema abhandelt, sondern mit Ernst und Respekt beobachtet, wahrnimmt und ohne Moralin schildert, was im Beziehungsfeld eines Schulhauses, eines Klassenzimmers, eines Lehrerzimmers – stellvertretend für andere Biotope – offensichtlich oder unterschwellig abläuft. Der Film bietet sozial engagiertes Kino, ist ein Hymnus auf die Kraft der Freundschaft und des Vertrauens, anrührend, nahe am Leben und unterschwellig fragend: Wer ist ein guter Lehrer?

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