Un amor

Der ersten Liebe wieder begegnen: Eine Frau kehrt nach dreissig Jahren nach Buenos Aires zurück und besucht dort zwei Freunde aus der Schulzeit, mit denen sie einst das Liebeserwachen erlebt hat.

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Lisa, Bruno und Lalo als Jugendliche

Stimmungsbewusst und subtil erzählt die 1969 geborene Argentinierin Paula Hernández nach «Herencia» und «Lluvia» in ihrem dritten Spielfilm «Un amor» vom Liebeserwachen dreier Jugendlicher und vom Wiederaufleben jener Erlebnisse dreissig Jahre später. Filigran verknüpft sie beiden Zeitebenen über Licht und Farben und fein gestaltete Charaktere. Aus der Gegenüberstellung der Wahrnehmungen und Handlungen im Damals und im Heute zeichnen sich drei Lebensentwürfe, die so fragil wie authentisch sind – und zudem bestens unterhalten.

Existiert die Liebe auf den ersten Blick? So fragt man sich gelegentlich. Sicherlich, meint dieser Film. Doch manchmal braucht es dreissig Jahre, um sich dessen erst sicher zu sein. Die 16-jährigen Lalo und Bruno sind dicke Freunde in den 70er Jahren. Da taucht Lisa auf, die zunächst kapriziös und frech den beiden Teenagern den Kopf verdreht und alles durcheinanderwirbelt im verschlafenen Kaff Victoria in der Provinz Entre Ríos am Paraná und sich dann doch für einen der beiden entscheidet. Dreissig Jahre später taucht Lisa wieder völlig unerwartet auf, und die Drei treffen sich jetzt in gänzlich verschiedenen Lebensverhältnissen. Das wunderbar leichtlebige und turbulente Dreieck der Jugendzeit lässt sich zwar nicht wiederbeleben; doch was entsteht, sind Episoden schönster Nostalgie.

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Lisa und Bruno damals Lalo und Lisa heute

Magische Momente

Wenn wir vierzig sind und älter, beginnen wir, uns vermehrt des Lebens und seiner Endlichkeit bewusst zu werden. Ebenso Lisa, die nach dreissig Jahren Abwesenheit beruflich nach Buenos Aires kommt und sich entschliesst, die beiden Liebhaber ihrer Schulzeit zu besuchen, was für alle zu einer Reise zu den Quellen ihrer Liebe, ihres heutigen Leben wird. Lisa zeigte damals den jungen Männern, wo sie langgeht und wo es langgeht, sie führte und verführte. Anschaulich und berührend zeichnet die Regisseurin jene Zeit, in der dieses fremde Mädchen wie ein Engel vom Himmel mit den orangen Stiefeln ins sommerliche Victoria trat, die Knabenschar betörte und Bruno und Lalo mit ihrem Augenaufschlag um den Finger wickelte. Da flirrte etwas in der Luft, was vorher nicht da war. Die Hitze über dem Flussdelta konnte es nicht sein. Zart und leichthändig, dennoch dicht und exakt inszeniert Paula Hernández magische Momente wie jenen der ersten Begegnung. Ein paar Klaviertakte, ein entrückendes Schwirren in der Musik und dann den Auftritt Lisas in Zeitlupe. Unvermittelt gerät sie in eine Knabenrauferei mit einem Wasserschlauch und bekommt einen kräftigen Spritzer ab, von dem sie noch mehr will, viel mehr will. Dieses Mehr-Wollen wird zur Triebfeder der Handlung, treibt die drei jungen Menschen an, lässt sie erwachsen werden.

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Lisa, Lalo und Bruno heute

Der sorgfältig komponierte Film mit den drei Porträts spielt in der zweiten Zeitebene in der Mitte des Lebens, wie man so sagt, obwohl niemand weiss, wo diese Mitte doch eigentlich ist. Bruno lebt dreissig Jahre nach jenen Jugenderlebnissen, verheiratet, mit Frau und zwei kleinen Kindern, in einem frisch erworbenen Haus in Buenos Aires. Lalo ist in Victoria geblieben, jenem Ort, aus dem er kaum je abgereist ist, es sei denn, um eine Spur von Lisa in Brasilien zu finden. Lisa bereist die Welt und sammelt, unternehmungslustig und freizügig, in wechselnden Beziehungen Lebenserfahrungen. Als Jugendliche und als Erwachsene beschreibt die Regisseurin die Drei mit kleinen Gesten, versteckten und offensichtlichen Blicken, mit ihrer Beredsamkeit oder ihrem Schweigen.

Was wäre, wenn?

Spielerisch bewegen wir uns zwischen den Zeiten hin und her, mal unterschnitten, mit kurzen Flashs, mal länger, in ausgewachsenen Sequenzen, stets jedoch präzise in den Übergängen mit Ton und Licht angedeutet. Jede Zeit ist vielschichtig charakterisiert, so dass man erst bei mehrmaligem Sehen die kostbare Ziseliertheit der filmischen Gestaltung, die auf Anhieb so leichtfüssig daherzuschlendern scheint, erkennt. Selbst die historische Einbettung wird nicht vernachlässigt, wenn auch bloss angedeutet. Lisas Eltern etwa mussten Hals über Kopf fliehen, weil sie Regimekritiker waren. Doch Hernándes‘ Film bleibt im Gegensatz zu andern neuen Werken aus Argentinien im Privaten. Es gibt, so kann man hier auf das Schönste erleben, Dinge im Leben, über die zu reden es nicht einfach ist, es gibt Momente einer Biografie, in denen ein Wort leicht ein Wort zu viel ist. Liebe, das zeigt «Un amor» sehr schön, beglückt und schmerzt, je nach Situation, je nach Perspektive. Der Film erzählt solches, einfühlsam und subtil: Erlebnisse, die einmal das Leben prägten – und was nach dreissig Jahre davon geblieben ist.

«Un amor» fusst auf Sergio Bizzios Kurzgeschichte «Un amor para toda la vida» (Eine Liebe für das ganze Leben), die leider in Deutsch nicht erhältlich ist. Der bekannte Schriftsteller hat auch am Drehbuch mitgearbeitet. Die Schönheit des Filmes besteht wohl darin, dass er mit den beiden Zeitebenen gleichsam das ganze Leben umfasst. Dabei wird einem bewusst, wie vieles, alles auch anders hätte kommen können. «Was wäre, wenn …?» fragte einst Max Frisch im Theaterstück «Eine Biografie», damals formal gewohnheitsbedürftig, mutig und herausfordern. «Was wäre, wenn …?» fragt auch Paula Hernándes, heute selbstverständlicher, freier, spontaner, verspielter, südländischer, weiblicher.

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Hinten Bruno, Lisa, die Regisseurin Paula Hernández und Lalo damals. Vorne Bruno, Lisa und Lalo heute

Trailer

www.trigon-film.org