Rückblick auf das 18. Zürich Film Festival ...

Rückblick auf das 18. Zürich Film Festival ...

... und ein Vorschlag für eine andere Art, Filme zu konsumieren: sich mit Filmen für das Leben kundig machen.

 

Einen Film besprechen bedeutet im Allgemeinen, eine Filmkritik machen, heisst, kritisch sein. Und zu «Kritik» steht im Wörterbuch, es sei die Kunst des Entscheidens, des Beurteilens, Kriterien seien Prüfsteine. Zu «kritisch» heisst es: trennen, scheiden, streng prüfen, tadeln, wissenschaftlich erläutern, beanstanden, bemängeln, urteilen. Wo aber, so frage ich mich, ist der Werte-Urmeter für dieses Tun begraben?

Stehen hier im Hintergrund nicht Experten, deren Identität unbekannt, deren Kriterien intransparent sind? Ist darin nicht vielleicht unterschwellig das Bedürfnis verborgen, etwas ad acta legen zu dürfen, es zu beenden, zu erledigen, was belastet, bedrängt, beunruhigt, verunsichert? Oder steckt dahinter vielleicht sogar die Absicht, sich als kleiner Filmkritiker aufspielen zu können?

Sich mit Filmen für das Leben kundig machen


Der Umgang mit Filmen kann auch anders ablaufen, was ich erst heute, in meinen alten Tagen, am Zürich Film Festival, bei einer Veranstaltung über das Alter im Film und meiner letzten Moderation einer Filmdiskussion entdeckt habe – und hier vorsichtig und zögernd vorzustellen versuche. Wie also? Wir könnten offen und vorurteilslos Inhalt, Form und Gehalt des Films, wie wir sie erfahren, auf uns einwirken lassen, möglichst viele Details wahrnehmen, für wahr nehmen und auf uns einwirken lassen. Sie befragen und hinterfragen, nicht antworten, urteilen, beurteilen, verurteilen: kritisieren. Und dann fragen: Was bringt mir der Film? Was kann ich damit anfangen? Was nehme ich mit? Was gefällt mir? Was missfällt mir? Mit allen Sinnen, mit Kopf und Herz all das Neue und Fremde, das der Film transportiert, aufnehmen und in das Bekannte und Vertraute bei mir einbauen. Dies kann, erstens, in Form eines intra-personalen Dialogs geschehen.

Damit bleibt die Unsicherheit, das Noch-nicht-Verstehen des Neuen: Die Neugier und Offenheit, jene Ur-Qualität des menschlichen Lebens und hält uns in der Schwebe. Wie so oft bei Fragen zu wirklich wesentlichen Themen hilft uns auch hier Martin Buber weiter. Nach ihm könnte man sagen: Um das Es, also den Film, zu verstehen, brauchen wir das Du, einen Menschen. Nötig ist demnach für dieses andere Film-Sehen, zweitens, ein inter-personaler Dialog. Beides zusammen: «Die Welt der Erfahrung gehört dem Grundwort Ich-Es. Das Grundwort Ich-Du stiftet die Welt der Beziehung.»

Was ich hier über den Umgang mit Film beschreibe, ist in seiner Konsequenz auch für mich neu. Ich weiss auch nicht, ob ich selbst meine These, «Mit Filmen für das Leben kundig machen», schon wirklich verstehe. – Dass dieser Ansatz analog wohl auch für den Umgang mit Theater, Literatur, der bildenden Kunst, der Musik und dem Ballett zutreffen könnte, ist offensichtlich.

PS: Das 19. ZFF übrigens findet vom 28. September bis 8. Oktober 2023 statt.