Blind Dates

Georgische Blind Dates: Der Georgier Levan Koguashvili schuf mit «Blind Dates» eine feine, lakonische, meditative, absurde Komödie über die Schwierigkeiten, sich persönlich zu begegnen.
Blind Dates

Sandro ist 40 Jahre alt, Geschichtslehrer, und lebt immer noch bei seinen Eltern. Seine Mutter liegt ihm in den Ohren, er soll endlich erwachsen werden und eine Frau finden. Doch sein Glück mit Frauen hält sich in Grenzen, bleiben doch die Dates, die er zusammen mit seinem Freund Iva übers Internet arrangiert, meist folgenlos. Nach einem weiteren enttäuschenden Rendez-vous beschliessen die beiden, einen Ausflug ans Schwarze Meer zu machen. Dort lernt Sandro die Friseurin Manana kennen und verliebt sich in sie. Bald stellt sich aber heraus, dass Manana mit Tengo verheiratet ist, der demnächst, bedingt, aus dem Gefängnis entlassen wird.

In der Hoffnung auf ein Gespräch von Mann zu Mann, begleitet Sandro Manana zu Tengo. Dieser bietet ihm sogleich einen Job als Fahrer an, denn er hat draussen noch einiges zu erledigen. Seine erste Station ist ein Besuch bei Natia, die er vor seiner Haft geschwängert hat. Als Nächstes kreuzt er bei der Familie eines ehemaligen Gefängnisgefährten auf, für den er angebliche Spielschulden eintreiben will. Und als Nodari, ein weiterer ehemaliger Häftling, auftaucht und diese Forderung infrage stellt, artet das Ganze in eine Schlägerei aus. Tengo wird erneut festgenommen, und das turbulente Spiel am Rande der Normalität geht weiter, gesäumt von Missverständnissen und Fehlschlüssen. Sandro verabschiedet sich schliesslich wehmütig und menschenfreundlich von Manana, denn er findet es nicht passend, Tengo seine Frau wegzunehmen.

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Sandro bei einem seiner Blind Dates

Von heiterer Traurigkeit zu trauriger Heiterkeit

«Blind Dates» hat wenig Bewegung, ist langsam, über weite Strecken fast statisch. Viele Sequenzen bestehen aus einer einzigen Plansequenz. Denn auch für die Menschen steht die Zeit fast still. Die Handlung erscheint äusserlich zwar turbulent, besitzt jedoch keinen Drive auf ein Ziel hin. Die Protagonisten schlendern ziellos durch die Landschaft, wie in einigen Szenen die Hunde. Die Männer und Frauen sind ihrem Schicksal ergeben und tragen es mit Fassung. Die Unschärfe einzelner Einstellungen verweist auf die Unbestimmtheit im Leben der Akteure.

Doch immer wieder mal gibt es wunderbare, berührende Szenen, die erhellt sind von einem Hoffnungsschimmer. Diejenige etwa, in der eine Blinde sich mit einem innigen Fingerspiel an Iva macht, sich an ihn schmiegt und mit ihm zu tanzen beginnt, ohne Musik, allein im leeren Zimmer eines Stundenhotels. Oder jene zukunftshaltige Szene, in der Manana Sandro umarmt, streichelt und flüstert: «Du bist ein guter Mann und wirst eine gute Frau finden. Bring sie hierher. Für eine Frisur». Doch solche Szenen verweisen letztlich nicht auf ein Happy End, sondern beschreiben lediglich wie melancholische Umarmungen liebenswerter schwacher Menschenkinder, die in der Einsamkeit versinken.

Der Film beginnt mit einem misslungenen Date und endet mit einem solchen. Die meist in grauen, nur gelegentlich bunten Farben gehaltenen Bilder verströmen Mut- und Hilflosigkeit, aber auch Sehnsucht nach Nähe und Begegnung, nach Zärtlichkeit und Liebe. Psychologisch sind die meisten Akteure wohl als depressiv zu bezeichnen. Doch indem der Film dieser Depression eine künstlerische Gestalt verleiht, erfüllt er die Menschen mit Sympathie und Liebe und überwindet so die Krankheit, erheitert deren Welt für Augenblicke mit Glück. Levan Koguashvili erzählt ein wunderbares, stilles Gleichnis mit feinem, schrägem Humor über die alltäglichen Probleme und Schwierigkeiten, sich näher zu kommen, miteinander zu sprechen, sich wirklich zu begegnen.

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Sandro und Tengo, immer auf der Suche

Ein georgischer Kaurismäki

Koguashvili versteht es, sich in diesem Film auf das Wesentliche, ein paar wenige Figuren zu beschränken und diese Anteil nehmend zu beschreiben. Auf schmalen Schultern tragen sie ihre überschaubare kleine Welt, die ihnen allen irgendwie zu gross ist, der sie nicht gewachsen sind. Ähnlich wie der Finne Aki Kaurismäki versteht es der 1973 in Tiflis geborene Georgier Levan Koguashvili, seine Figuren in Szene zu setzen und in einem Dekor agieren zu lassen, das ebenso aussagestark ist wie die Handlung. Reduktion und Kargheit, Komik und Humor gehören zu seinen speziellen Qualitäten.

Kaurismäki und Finnland sind nicht, wie man allgemein annimmt, der Ursprung dieser Art von Komik und Bildwitz. Zur Zeit der Sowjetunion arbeiteten in Georgien, wo das Filmschaffen vergleichsweise unabhängig und frei sich entfalten konnte, die Regisseure Otar Iosseliani und Eldar Schengelaja bereits in diesem Stil. Sie schufen mit Ruhe und visueller Strenge zwischen 1960 und den frühen 80er Jahren ihre Filme: der eine über die Poesie des Alltags, der andere über die Absurdität der Bürokratie. Levan Koguashvili nun erzählt mit Blick auf seine Vorbilder in seinem zweiten Spielfilm mit leisem Augenzwinkern von den Turbulenzen zwischenmenschlicher Beziehungen in Form eines schrägen, absurden Melodramas, das beim Publikum kaum lautes Lachen, sondern ein stilles Lächeln auslöst: diese heitere Tristesse bis in die Niederungen.

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Manana und Sandro, ihr Schicksal tragend

Titelbild: Suchen, ohne zu finden

Regie: Levan Koguashvili

Produktionjahr: 2013
Filmlänge: 99 min
Verleih: trigon-film