Bright Star

Die wunderbare, doch unmögliche Liebesgeschichte zwischen dem Dichter John Keats (1795 – 1821) und Fanny, in die sich die australische Regisseurin Jane Campion verliebt und darüber einen wunderschönen Film gedreht hat.

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Diese Liebe war von Anfang an zum Scheitern verurteilt: zu gross die Unterschiede zwischen der zwar klugen und schlagfertigen, aber nicht sonderlich gebildeten Schneiderin Fanny Brawne und dem jungen, hoch begabten, doch reichlich schwermütigen Dichter John Keats. Getroffen und verliebt hatten sie sich, als 23-, sie 18-jährig war. Von zwei Seiten wurde ihre Beziehung skeptisch beobachtet. Fannys Mutter war in Sorge, weil Keats über keine finanziellen Mittel verfügte. Johns Mentor missfiel die hübsche Fanny, weil sie ihn von seiner Dichtkunst abhalten könnte. Weshalb ihnen oft nur der Briefwechsel half, ihre Nähe zu spüren. (Lesung in englischer Sprache von John Doyle aus Keats’ Briefen an Fanny:

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Die erste Liebe

Mit ihrem Meisterwerk «Das Piano» begeisterte die australische Regisseurin Jane Campion 1993 ein Millionenpublikum. Erst fünfzehn Jahre später widmete sie sich mit «Bright Star» wieder einer grossen Liebesgeschichte, die herzzerreissender ist als «Romeo und Julia», weil sie sich wirklich zugetragen hat. Es ist die Geschichte einer Liebe, die allen Konventionen und gesellschaftlichen Zwängen trotzt, wild und zärtlich, befriedigend und zerbrechlich ihre Hochs und Tiefs feiert. Eine Liebe, voller Sehnsucht, Leid und Entbehrung, der am Schluss jedoch das Scheitern bleibt. Der Film folgt Keats’ Briefen, ergänzt mit einigen seiner schönsten Gedichte.

Inoffiziell verlobten sich die zwei Seelenverwandten im Oktober 1819. Eine Hochzeit sollten sie nie erleben. Der erkrankte Keats brach auf ärztliches Anraten 1820 nach Italien auf, um sich im wärmeren Klima zu erholen. Sie verabschiedeten sich und sollten sich nie mehr wiedersehen. Er starb im Februar des folgenden Jahres in Rom im Alter von 25 Jahren. Sein mutmasslich letztes Gedicht trug den Titel «An Fanny». Doch schon bei seiner Abreise fragte sie immer wieder: «Gibt es ein anderes Leben? Werde ich erwachen und feststellen, dass all dies ein Traum war? Es muss dieses andere Leben geben. Wir können doch nicht geschaffen sein, so zu leiden» und überhöht ihren individuellen Liebesschmerz ins Allgemeinmenschliche.

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Die letzte Liebe

Dann blieb Fanny nur noch die Trauer um ihren Geliebten, ganz so als wäre er ihr Ehemann gewesen. Drei Jahre lang trug sie Witwenkleider, obwohl sie nie verheiratet waren, und verbrachte lange Stunden damit, seine Briefe wieder und wieder zu lesen oder einsame Spaziergänge durch Hampstead Heath zu machen. Drei Dutzend seiner Liebesbriefe bewahrte sie bis zu ihrem Tode auf. «Bright Star» (Der leuchtende Stern) ist die Geschichte einer «amour fou», einer «amour passioné» und einer «amour créature», von Jane Campion aus Fannys Blickwinkel erzählt. Gleichermassen mit der Liebesgeschichte gewährt der Film einen differenzierten Einblick in die Entstehung dieses ausserordentlichen poetischen Oeuvres.

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In Schönheit lieben und sterben

Neben den Protagonisten, Abbie Cornish als Fanny und Ben Whishaw als John Keats, sind auch die Nebenrollen grossartig besetzt. Unvergesslich Edie Martin als Fannys kleine Schwester, die die Freuden und Leiden der beiden miterlebt. Und grossartig die Bilder des Kameramanns Greig Fraser, der an Robert Bresson erinnert. Kaum je sah ich solch meisterhafte Gegenlichtaufnahmen, Bilder, die aus der Tiefe des Hintergrundes in den Vordergrund zu strahlen scheinen. Campion zeichnet sich, wie schon in ihren früheren Filmen durch höchste Meisterschaft des Akustischen und vor allem des Visuellen aus. Nichts überlässt sie dem Zufall, alles macht in seiner Sinnlichkeit Sinn. Immer wieder glaubt man sich in die Welt der Malerei von Jan Vermeer oder anderer Holländer versetzt.

Um möglichst nahe an die Wirklichkeit zu kommen, hat Campion das Haus, in dem Keats wohnte, die Strassen, durch die er ging, das Haus an der Spanischen Treppe, wo er starb, besucht und festgehalten. Sie entwickelte die Story so, wie man es bei Dokumentarfilmen macht. «Bright Star» darf durchaus als «documentaire romancé», bezeichnet werden (und sie führt damit, radikal gedacht, die Kategorisierung in Dokumentarfilme und Spielfilme, zu Recht, ad absurdum.)

«Ich war entschlossen, so viel von seinen Versen wie nur möglich unterzubringen», denn «viele Leute können mit Lyrik nichts anfangen, weil sie glauben, dass sie es nicht verstehen. Aber Keats ist ein grosser Lehrmeister, was das Verständnis von Lyrik betrifft, und das wollte ich in die Geschichte einbauen. Gedichte sind wie eine Droge: Sie dringen in dein Gehirn ein und setzen sich dort fest», meinte sie. Hier das Gedicht, das dem Film den Titel lieh:

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«Glanzvoller Stern! Wär ich so stet wie du,

nicht hing ich nachts in einsam stolzer Pracht!

Schau’ nicht mit ewigem Blick beiseite zu,

Einsiedler der Natur, auf hoher Wacht

beim Priesterwerk der Reinigung, das die See,

die wogende, vollbringt am Meeresstrand;

noch starrt ich auf die Maske, die der Schnee

sanft fallend frisch um Berg und Moore band.

Nein, doch unwandelbar und unentwegt

möcht’ ruhn ich an der Liebsten weicher Brust,

zu fühlen, wie es wogend dort sich regt,

zu wachen ewig in unruhiger Lust,

zu lauschen auf des Atems sanftes Wehen –.

So ewig leben – sonst im Tod vergehen!»

Weitere Auskünfte

Vor dem Film oder nach dem Film, als Einstimmung oder Vertiefung, mit Briefen und Gedichten (deutsch und englisch), eignet sich ausgezeichnet das Buch «Bright Star, Die Geschichte von John Keats und Fanny Brawne», mit einem Vorwort von Jane Campion, mit Bildern aus dem Film. Insel Verlag, Zürich 2009, kartoniert, 222 Seiten, ISBN: 3458351876.

www.brightstarthemovie.com

www.brightstar-derfilm.de