Daniel Schmid. Le chat qui pense

Früh verstorben ist der Filmemacher Daniel Schmid, Bündner und Kosmopolit in einem. Mit dem Dokumentarfilm «Daniel Schmid. Le chat qui pense» haben Pascal Hofmann und Benny Jaberg ein grossartiges Dokument geschaffen, in dem Traum und Wirklichkeit, Fakten und Idee, das Hoffen der Jugend und die Weisheit des Alters von Daniel Schmid verschmelzen.

Mächtige im Dunst verhängte Bergmassive füllen die Leinwand, und ein durchdringend pfeifender Wind erfüllt den Raum. So der Auftakt des Films «Daniel Schmid. Le chat qui pense». Womit der Regisseur bereits verortet ist. Dann folgt eine Grossaufnahme mit Schmid, Lucia Bosé zugewandt, die ihm eine Geschichte erzählt: «Fragt ein Gelehrter den Fächer: „Sag mir, Fächer, was ist das Leben?“ und der Fächer antwortet mit einem sanften Flattern: „Alles nur Wind, Wind, Wind, Wind.“» Damit bringen die Autoren eine Chiffre ins Spiel, die für den Porträtierten passt. Etwas Ätherisches, Geistiges, Unfassbares haftet ihm an. Nochmals sehen wir ihn, bereits stark von seiner Krankheit gezeichnet, der erklärt: «Wenn du jemanden beschreibst, beschreibst du eigentlich dich selber.» Ein Hinweis, dass bei ihm jede Aussage persönlich ist. Dann folgen Bilder aus «Heute Nacht oder nie» (1972) und Bilder, welche die Magie des Kinos feiern. Und wieder Berge und Wolken.

Im Off spricht Pascal Hofmann, der Schmid seit seiner Jugend kennt, dass er zusammen mit Beny Jaber beabsichtigt habe, einen Film mit, nicht über ihn zu drehen, was seines Todes wegen vordergründig verunmöglicht worden ist. Im Kern ist dies den beiden dennoch gelungen, ihre Haltung ist entscheidend. Sie realisierten einen Dokumentarfilm, der auf breiten Recherchen beruht, Aussagen von Daniel Schmid und anderer verarbeitet und Filmausschnitten enthält. Insgesamt 200 Stunden Material stand zur Verfügung. In einem seiner Notizbücher sind die beiden auf eine gezeichnete Katze gestossen, die er mit «Le chat qui pense» signiert hatte, was den Autoren typisch erschien für diesen geschmeidigen, eigensinnigen, verspielten, menschennahen und eigenbrötlerischen Menschen.

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Daniel Schmid mit Lucia Bosé beim Dreh zu «Violante» (1977)

Mächtige im Dunst verhängte Bergmassive füllen die Leinwand, und ein durchdringend pfeifender Wind erfüllt den Raum. So der Auftakt des Films «Daniel Schmid. Le chat qui pense». Womit der Regisseur bereits verortet ist. Dann folgt eine Grossaufnahme mit Schmid, Lucia Bosé zugewandt, die ihm eine Geschichte erzählt: «Fragt ein Gelehrter den Fächer: „Sag mir, Fächer, was ist das Leben?“ und der Fächer antwortet mit einem sanften Flattern: „Alles nur Wind, Wind, Wind, Wind.“» Damit bringen die Autoren eine Chiffre ins Spiel, die für den Porträtierten passt. Etwas Ätherisches, Geistiges, Unfassbares haftet ihm an. Nochmals sehen wir ihn, bereits stark von seiner Krankheit gezeichnet, der erklärt: «Wenn du jemanden beschreibst, beschreibst du eigentlich dich selber.» Ein Hinweis, dass bei ihm jede Aussage persönlich ist. Dann folgen Bilder aus «Heute Nacht oder nie» (1972) und Bilder, welche die Magie des Kinos feiern. Und wieder Berge und Wolken.

Im Off spricht Pascal Hofmann, der Schmid seit seiner Jugend kennt, dass er zusammen mit Beny Jaber beabsichtigt habe, einen Film mit, nicht über ihn zu drehen, was seines Todes wegen vordergründig verunmöglicht worden ist. Im Kern ist dies den beiden dennoch gelungen, ihre Haltung ist entscheidend. Sie realisierten einen Dokumentarfilm, der auf breiten Recherchen beruht, Aussagen von Daniel Schmid und anderer verarbeitet und Filmausschnitten enthält. Insgesamt 200 Stunden Material stand zur Verfügung. In einem seiner Notizbücher sind die beiden auf eine gezeichnete Katze gestossen, die er mit «Le chat qui pense» signiert hatte, was den Autoren typisch erschien für diesen geschmeidigen, eigensinnigen, verspielten, menschennahen und eigenbrötlerischen Menschen.

Als Sohn der Familie einer Hoteldynastie im Bündnerischen Flims ist Daniel Schmid 1941 im Hotel «Schweizerhof» aufgewachsen, wohin er auch immer wieder zurückgekehrt ist. Beflügelt von den phantastischen Geschichten seiner Grossmutter, machte er die Hotelhalle zur Bühne,  auf welche die Gäste aus aller Welt als Protagonisten auftraten und wieder verschwanden. Er selbst wurde zum Geschichtenerzähler. Geschichten, die von Freundschaft, Zärtlichkeit, Sinnlichkeit und Liebe handeln, aber auch einer bohrenden Sehnsucht, die ins Jenseits weist.

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Daniel (rechts) als Kind auf dem Balkon des «Schweizerhof»

Aufgewühlt durch die 68-Revolte zog es ihn nach Berlin und später nach München. Hier erlernte er das Filmhandwerk, kurz an der Deutschen Film- und Fernsehakademie, länger bei seinen Freunden. Vor allem waren es die Begegnung mit Rainer Werner Fassbinder, aber auch Werner Schroeter (am 12. März 2010 kurz vor seinem 65. Geburtstag verstorben), die ihn ermunterten, im Film und im Leben als Homosexueller Grenzen zu durchbrechen. Dann tauchte er ins mondäne Pariser Nachtleben ein, filmte in Marokko, Portugal und in Graubünden. Dabei waren es immer wieder Frauen, die ihn anzogen und beflügelten: die Muse Ingrid Caven, seine Pariser Freundin Bulle Ogier, Lucia Bosé und Lauren Hutton beim Drehen, der japanischen Filmwissenschaftler Shiguehiko Hasumi und sein treuer und kritischer Freund und Kameramann Renato Berta.

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Rainer Werner Fassbinder beim Dreh zu «Schatten der Engel» (1976)

Das Universum des Daniel Schmid

Er ist ein Poet, ein Revoluzzer, ein Träumer, ein Freund und Liebender, ein Heisssporn und ein Altersweiser. Das alles zusammen macht seine Persönlichkeit so schillernd und faszinierend. Und es sind Landschaften, Berge, Täler, Schnee, aber auch Städte wie Berlin, München, Paris und Tokyo, die ihn inspirierten und prägten, mit denen er sich auseinandersetzte, die ihm als «paysages d’ames» dienten.

In den Hallen, Gängen, Zimmern und Schlupfwinkeln des Belle-Epoque-Hotels in Flims hat er sich öfter mal, absichtlich oder nicht, verlaufen, verirrt. Wirklich verirrt? Oder entdeckte der kleine Daniel dort nicht seine andere, ganz persönliche Welt. Eine verzauberte Menschenwelt, wo eine Diva lächelnd und Hüfte schwingend aus dem Lift schreitet und der Liftboy seinen Hosenschlitz schnell schliesst, wo die Reichen und Schönen, Berühmten und Gescheiten verkehren, wo er sich durchs Schlüsselloch von einer Nymphomanin in die Welt der Erotik hineinziehen und verführen lässt.

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Bulle Ogier und Werner Schroeter, Freunde in Paris und München

Im Hotel in Flims herrschte ein Matriarchat. Seine Mutter und Grossmutter und Frauen der Upperclass und der Halbwelt haben seine «Éducation sentimentale» bestimmt. Sie verführten ihn zum Erzählen, zum Fabulieren.

Diven hatten es ihm als Kind, als Jugendlicher und als erwachsener Regisseur immer angetan. Ihre Künstlichkeit faszinierte ihn, reizte ihn und bedroht ihn gleichwohl nicht.  So fuhr er per Anhalter nach Paris, um Marlene Dietrich zu treffen, die ihm, da er, schwitzend vor Erregung, seinen Stift nicht fand, mit dem Lippenstift ein Autogramm gab. Mit Ingrid Caven realisierte er in Paris Chanson-Abende, die internationale Erfolge wurden.

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Ingrid Caven, seine Muse in Paris

Jenseits der Berge muss es eine andere Welt geben, war seine Devise. Auf die andere Seite der Welt, dorthin wollte er zeit seines Lebens. Ist das bloss eine alpenländische Vision? Oder mehr? Die Sehnsucht nach dem Geheimnis, das in allem innewohnt? Er war ein Verehrer der deutschen Romantik und der italienischen Oper. Solcher Art, dass er bei der Suche nach neuen Drehorten sich im Auto beständig Opernmusik zu Gemüte führte. Eine tiefe Sehnsucht nach dem absolut Schönen durchdrang ihn sein ganzes Leben lang. Dafür reiste er 1961 («die vielleicht letzte verrückte Zeit») ins kosmopolitische Berlin, später nach München zu Ingrid Caven, dann mit ihr nach Paris und schliesslich nach Japan, wo er Professor Shiguéhiko Hasumi, einen Freund und Promotor, fand, der ihn in diese nochmals ganz andere Welt einführte.

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Mit Lauren Hutton beim Dreh zu «Hécate» (1982)

Fragen, Antworten und der Abschied

Der Zeitschrift «La Libération» gab er auf die Frage «Warum machen Sie Filme?» die Antwort: «Um etwas weniger allein zu sein … dass ich gemocht werde.»

Nachdem er sich seiner Kindheit erinnerte, meinte er: «Ich glaube, wir müssen dieses Kind in jedem von uns schützen». Und im Blick auf seine calvinistische Erziehung fügte er hinzu: «Es ist schrecklich. Man berührte sich nicht. Man weinte allein.»

Zur Arbeit des Filmens gibt er eine Antwort, die den Akt des Filmens als seine Form des In-der-Welt-Seins beschreibt: «Was heisst schon Wahrheit in einem Leben.»

Als er aus den Händen von Geraldine Chaplin 1999 am International Film Festival Locarno den «Pardo d’onore» für sein Lebenswerk erhalten hatte, sagte er: «Ich möchte allen Menschen, die mir im Leben begegnet sind, danken. Nicht nur meiner Mama und meinem Papa. Allen.»

Gefragt, was die Idee hinter all seinen Filmen sei, antwortete er: «Etwas suchen, was man nicht finden kann.»

Die Arbeit an seinem letzten Film «Portovero» musste er nach dem dritten Drehtag abbrechen. Im August 2006 erliegt er am Geburtsort seinem Krebsleiden. – Wie eine Vorahnung des baldigen Todes rennt er in der letzten Einstellung des Films eine Treppe hoch, ins Haus hinein und verschwindet…

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www.danielschmid-film.com

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