Departures

Der Film des Japaners Yojiro Takita über das Begleiten der Verstorbenen beim Hinüber-Gleiten in den Tod macht aus einem Tabu ein Thema, zeigt das Sterben als Teil des Lebens und verwischt die Grenze zwischen Diesseits und Jenseits. Der preisgekrönte Film «Departures» kann anfänglich vielleicht etwas verwirren, berührt jedoch immer mehr und hat uns Westlern vieles zu sagen.

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Nachdem der Pechvogel Daigo sich mit dem letzten Ersparten ein neues Cello gekauft hat, verliert er unvermittelt seine Stelle im Orchester. Es wird aufgelöst. Mit seiner Frau kehrt er in ihre Heimat im pittoresken Norden Japans zurück. Und auf der Suche nach einem neuen Job stösst er auf die Anzeige eines auf «Abreisen» spezialisierten Unternehmens. Sasaki, der exzentrische Chef der Firma, engagiert ihn auf der Stelle, Daigo kann sein Glück kaum fassen. Dann erst eröffnet ihm Sasaki die wahre Natur dieser Arbeit: Er soll Verstorbene nach altem Ritual für die Bestattung vorbreiten, als ein Nokanshi, eine Hilfskraft des Zeremonienmeisters, diesem bei seinem höchst delikaten Einsargen beistehen.

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«Körper in Särge legen», antwortet der Chef Daigo lapidar. Dieser entsetzt: «Tote Körper?» Tatsächlich, hier werden keine Reisen auf die Bahamas gebucht. Er stellt indes bald fest, dass es dabei um weit mehr geht, als tote Körper in Särge zu legen. Erst allmählich wird er mit dem fremden, jedoch würdevollen Zeremoniell vertraut, bei dem die Verstorbenen vor den Augen der Hinterbliebenen für ihre letzte Reise zubereitet werden. Nach anfänglichem Ekel findet Daigo in der gesellschaftlich geächteten Tätigkeit dieses Zeremoniells etwas, das für ihn Sinn macht, ihm Würde verleiht, für die Hinterbliebenen – und schliesslich auch für uns – zu einer Wohltat, zu etwas Heiligem wird.

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Vom griechischen Mythos zum japanische Ritus

Analog der Geschichte in der griechischen Mythologie, in welcher Charon die Toten für einen Obolus über den Totenfluss Acheron ins Reich des Totengottes Hades übersetzt, erzählt der japanische Film, letzte Reisen verstorbener Menschen konkret, materiell. Der Akt des Aufbahrens, des Aus- und Ankleiden, des Reinigens und Schminkens vor den Augen der Trost suchenden und ihre Emotionen abreagierenden Angehörigen erhält eine allgemein menschliche Bedeutung. Die Vielfalt der Reaktionen der Mitglieder der überlebenden Familien widerspiegeln wohl auch die Vielfalt, mit der wir mit dem Sterben und mit dem Tod umzugehen pflegen.

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Auch seine Frau Mika ist anfänglich, als sie von der neuen Tätigkeit ihres Mannes hört, alles andere als begeistert. Erst in einem langwierigen, Verständnis und Geduld verlangenden Prozess beginnt sie sich damit abzufinden, Daigos Tätigkeit zu respektieren, die fremden Handlungen zu akzeptieren, zu bewundern, zu schätzen und schliesslich zu lieben. Eine grosse schauspielerische Leistung der Protagonisten, diesen inneren Wandel glaubhaft zur Darstellung zu bringen.

Von der Komödie zur Meditation

Aber auch alle andern Figuren sind liebevoll gezeichnet, werden von den Darstellerinnen und Darstellern einfühlsam verkörpert. Der Regisseur Yojiro Takita bewegt sich gekonnt zwischen Komödie und Tragödie. Gerade in den heiteren Momenten ist das Werk über den japanischen «Way of Death» ausgesprochen vital und von unterschwelligem Humor und Witz.

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Kommt der erste Teil der Geschichte für viele vielleicht kurios daher, vertieft sich der zweite in eine unerwartete Richtung: Daigo, Mika – und auch wir – erfahren immer mehr von diesen fremden Riten und tauchen in sie ein, da das Sterben und der Tod auch unser aller Leben beenden. Wir spüren, dass es darum geht, den Tod als Teil des Lebens in den Alltag zu integrieren, was jedoch erst geschieht, wenn auch das Jenseits ins Diesseits integriert ist. Eine Botschaft, die dem Film wohl 2009 den Oscar für den «Besten fremdsprachigen Film» eingebracht hat.