Die Kinder vom Napf

50 Bergbauernkinder, 10 km Schulweg, eine Kindheit im Herzen der Schweiz

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Hallo, das sind wir...

«Ich wollte immer einen Film am Napf drehen», meint Alice Schmid, die Produzentin, Regisseurin, Kamerafrau und Tonmeisterin ihres neuen Films. «Der Ort zieht mich magisch an. Ich habe dort ein altes Bauernhaus. Alleine halte ich es vor lauter Angst in der Nacht fast nicht aus. Nach über zwanzig Jahren Dreharbeiten in Afrika, Asien und Südamerika habe ich es endlich geschafft, ich kehrte an diesen Ort zurück. 365 Tage war ich mit der Kamera unterwegs. Die Helden sind die Kinder vom Napf.» Was dabei herausgekommen ist? Ein kleines grosses Meisterwerk: ein bildgewaltiger Jahreszyklus über den «Wilden Westen» Luzerns, ein Hymnus auf eine schöne Kindheit und Jugendzeit und auf das einfache Leben – und dies alles höchst unterhaltsam und poetisch zugleich.

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Durch den hohen Schnee in die Schule

Ein Jahr zusammen mit den Kindern vom Napf

Ein Jahr lang, vom Winteranfang bis zum Herbstende, begleitete die Filmemacherin und Schriftstellerin Alice Schmid die Bergbauernkinder aus der Gemeinde Romoos mit der Kamera in der zerklüfteten, wilden Hügellandschaft am Napf. Frühmorgens stapfen wir mit den Kindern los, durch hohen Schnee in die Dorfschule, nachmittags zum Bauernhof, wo jedes Kind sein Ämtli hat. Schon früh tritt die jüngste Generation in die Stapfen des Bergbauernberufes. Die Geschichte führt uns von Hof zu Hof in ein isoliertes, aber auch geborgenes Leben. Durch die Augen der Kinder erleben wir hautnah mit, was es heisst, wenn plötzlich der Wolf auftaucht oder der Habicht die Hühner holt oder wie die Kinder sich den Launen der Witterung stellen.

Wenn man mit einem Lächeln auf den Lippen aus dem Kino auf die Strasse tritt, sieht man die Welt, die Kinder, die Jugendlichen und die Schule vor allem anders als zuvor. Vieles, was heute in den Schulen abläuft, erscheint einem weltfremd, vor allem kinderfremd, abgehoben oder schlicht «daneben». Es kommt einem vor, erst in diesem Film sei man wirklichen Kindern und Jugendlichen, dem wirklichen Leben begegnet. Papieren, leer, tot erscheint einem vieles, was die Schulplaner, -organisatoren und -administratoren am Laufmeter produzieren.

Alice Schmid ist ein Film über ein Stück Heimat und gleichzeitig über eine Kindheit gelungen, wie wir sie nur mehr selten erleben, begründet auch dadurch, dass wir die Bilder von Kindern und Jugendlichen vor allem aus dem Fernsehen kennen, und diese vor allem abgebildet werden, wenn sie Probleme machen. Umso lohnender ist es, sich «Die Kinder vom Napf» anzusehen. Der Film zeigt eine Kindheit in ihrer inneren Schönheit, weil die Filmemacherin, so glaube ich zu spüren, diese Kinder und die Welt, in der sie leben, liebt.

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Im Stall und auf der Weide

Vom Änziloch, wo der böse Donner entsteht

Der Napf liegt mitten in der Unesco Biosphäre Entlebuch, im Herzen der Schweiz, zwischen den Kantonen Bern und Luzern. Erreichbar ist der Berg nur zu Fuss. Er bietet eine einzigartige Rundsicht in die Berner Alpen, den Jura und über das Mittelland, bei gutem Wetter bis zum Zürcher Uetliberg. Die Kinder vom Napf lernen von ihren Vätern zusätzlich zu den alltäglichen Verrichtungen auch noch das uralte Handwerk des Köhlerns, einem wichtigen Nebenverdienst in der zerfurchten und unwegsamen Landschaft des Napfgebietes.

Die Legende sagt, der Donner mit seinen berüchtigten Gewittern entstehe im sagenumwobenen Änziloch. Wer Böses tut, landet nach dem Tod dort unten und muss zur Strafe Steine hochstossen. Die Kinder gehen nur bis zur Krete dieses zweihundert Meter hohen Felsabgrundes. Sie wagen nicht runterzuschauen, aus Angst, selbst ein Geist zu werden.

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365 Tage mit den Kindern zusammen in der mehrklassigen Schule

Statements von Kindern der Schulklasse

In seine Jugend und Kindheit zurückerinnern, ist selten schöner als hier, wo einem immer wieder eigene, ähnliche Erlebnisse einfallen. Und wenn einen dabei diese frischen, fröhlichen, lebendigen Mädchen und Buben von heute begleiten, ist es doppelt so schön. Einige Sätze von ihnen im O-Ton:

Kilian (6): Wenn wir metzgen, muss man zuerst den Kopf abhauen. Dann macht es päng.

Dario (6): Morgens weckt mich der Hahn. Güggerüggüü!

Thomas (10): Wir mausen nur sechs Tage in der Woche. Nie an Sonn- und Festtagen.

Erich (12): Ich kenne schon jemanden, der den Wolf runterschiessen könnte.

Robin (11): Man muss immer einen riesigen Stein dabei haben oder einen Stecken.

Michaela (11): Romoos is super. There are one bakery, one postoffice, one school.

Carolin (10): Man sollte Romoos etwas berühmter machen. Wie Hollywood.

Thomas (10): Würden Carlo Janka oder Simon Ammann hier leben, wäre Romoos voll gefüllt.

Jannic (12): Wenn ich die Welt regieren könnte, würde ich es immer schneien lassen, ein Red Bull trinken und alles Gott überlassen.

Severin (11): Eine Miss hat ein gutes Becken, einen geraden Rücken und das Uter ist schön in die Bauchwand hineingewachsen.

Dario (12): Wir köhlern, weil Papi das schon machte.

Reto (13): Man sagt, dass im Änziloch die Gewitter entstehen. Die Talherren sind dort unten verbannt, weil sie Böses machten, Leute unterdrückten. Dann müssen sie Steine hochstossen. Immer wenn sie fast oben sind, fallen sie wieder runter. So entsteht der Donner.

Markus (13): Nachts tun wir die Schafe rein, weil der Wolf hier ist. Wenn der einmal eine Schafherde sieht, reisst er mehrere Schafe. Nicht nur eines, er frisst alle an.

Thomas (10): Bevor wir heuen, schauen wir, ob keine Bierdeckel im Gras liegen. Sonst müssen wir wieder eine Kuh metzgen.

Julia (9): Der Blitz nimmt nur den höchsten Punkt, weil er dann den wenigst weiten Weg hat.

Thomas (10): Die Äpfel werden von der Sonne rot. Sie bekommen die Rötlichkeit. Wenn man die äusseren abnimmt, bekommen die inneren auch heller.

Céline (10): Man muss im Stehen singen. Im Sitzen gibt es ganz andere Töne.

Julia (9): Im Traum hatte ich nur noch ein Hühnchen. Der Habicht war dort, und ich habe ihn mit dem Stecken geschlagen. Dann hat er mich gepickt und mein Hühnchen genommen.

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Kinder spielen für Kinder ihre Ländlermusik

Alice Schmid, Regisseurin und Schriftstellerin

Alice Schmid erzählt Geschichten aus aller Welt. Ihre Arbeiten wurden international prämiert, sie erhielt Gold in Biarritz, den Erich-Kästner-Preis und wurde für den Grimme-Preis nominiert. Im Schweizer Fernsehen erreicht sie Zuschauerquoten von gut 600'000. Sie beschäftigt sich in jedem ihrer bisherigen Werke mit den Kindern dieser Welt. «Sag Nein», 1993, ist ein Filmklassiker über Kindesmissbrauch; in Liberia und Sierra Leone, 1999/2002, dreht sie Filme mit Kindersoldaten; in «Jeder Tropfen für die Zukunft», 1996, begleitet sie ein bolivianisches Mädchen auf seinem zweistündigen Schulweg; in «Briefe an Erwachsene», 1994, porträtiert sie eine Kindheit im verminten Kambodscha.

Mit ihrem ersten Kinofilm «Die Kinder vom Napf» kehrt sie in die Schweiz zurück, ins Epizentrum ihrer ersten, unmittelbaren Erfahrungen, in jenes Gebiet, wo sie auch ihren erfolgreichen Debütroman «Dreizehn ist meine Zahl», 2011, angesiedelt hat.

Zuversichtlich hoffe ich, dass der Film «Die Kinder vom Napf» die Gunst der Schweizer Bevölkerung, von Gross und Klein, in der Stadt und auf dem Land, gewinnen wird; verdient hat er es.

Trailer zum Film