Ein Tag ohne Frauen

Der erste Frauenstreik der Welt: Als 90 Prozent der isländischen Frauen an einem Herbstmorgen 1975 ihre Arbeit niederlegten und ihre Häuser verliessen, weil sie sich weigerten zu arbeiten, zu kochen oder sich um die Kinder zu kümmern, brachten sie ihr Land zum Stillstand, katapultierten es jedoch zum «besten Ort der Welt für Frauen». Der Film darüber, «Ein Tag ohne Frauen», ist lustig, witzig, provokativ und enorm konstruktiv. Ab 5. Juni im Kino
Ein Tag ohne Frauen

 

Island gilt heute als einer der besten Orte der Welt, um dort als Frau zu leben. Wenn es um die Gleichstellung der Geschlechter geht, zählt die Inselrepublik zu den fortschrittlichsten Ländern der Erde. Das war nicht immer so. Der Grundstein für diesen politischen Fortschritt wurde 1975 durch einen landesweiten Frauenstreik gelegt. An jenem Freitag nahmen 90 Prozent der isländischen Frauen «einen Tag frei» und legten das öffentliche Leben lahm. Wie es dazu kam, rekapituliert der kurzweilige Dokumentarfilm «Ein Tag ohne Frauen», den die US-Regisseurin Pamela Hogan mit der Isländerin Hrafnhildur «Hrabba» Gunnarsdóttir geschaffen hat.

 

«Es war wahrscheinlich der bedeutendste Augenblick in meinem Leben, abgesehen von meinen Babys», sagt eine der Frauen, die am 24. Oktober 1975 am Streik teilnahm, was eine Gesinnungsgenossis ergänzt: «Wir zeigten, dass wir diese Gesellschaft zum Stillstand bringen können.» Man sieht beiden den Stolz auf das Erreichte an, ihre Augen strahlen, wenn sie an die Euphorie zurückdenken, die das einzigartige Erlebnis des erfolgreichen kollektiven Aufbruchs auslöste. Schliesslich brachten die Organisatorinnen an jenem Freitag die grösste Versammlung der isländischen Geschichte zustande. Am Tag, den die Vereinigten Nationen zum «Tag der Frau» erklärt hatten, standen in Island praktisch alle Räder still. Die Geschäfte waren geschlossen, die Küchen blieben kalt, die meisten Schulen standen leer, viele Flugverbindungen wurden gestrichen. Die Streikenden brachten ihre Kinder zum Arbeitsplatz ihrer Männer. Tausende Frauen aus allen Landesteilen versammelten sich auf dem Laekjartorg-Platz am Hafen der Hauptstadt Reykjavik.

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Jung und Alter vereint und glücklich

 

Ein Schub für die Frauenbewegung

 

Der Film begnügt sich nicht damit, die Arbeitsniederlegung als einmalige, isolierte Aktion zu schildern, sondern erklärt auch die Vorgeschichte und beleuchtet parallele Entwicklungen in anderen Ländern. Die isländischen Frauen liessen sich zum Beispiel von feministischen Demonstrationen in den Niederlanden, Australien, den USA, Norwegen und Schweden inspirieren. Ein wichtiges Vorbild war zudem die Rotstrumpfbewegung in Dänemark. Der Stil der isländischen Aktionen war gelegentlich ganz schön zupackend. Etwa dann, wenn sie mit einer weissen Kuh einen Schönheitswettbewerb junger Frauen ins Leere laufen liessen, und das für mehr als zehn Jahre. Oder dann, als sie eine Hausfrauenpuppe an einen Tannenbaum nagelten.

 

Die Frauenbewegung hat in Island über die Jahre viel erreicht. So wurde Vigdís Finnbogadóttir 1980 die erste demokratisch gewählte Staatspräsidentin der Welt und amtierte 16 Jahre. 1982 wurde Gudrún Erlensdóttir als erste Frau an den Gerichtshof berufen und wurde später die Oberste Richterin des Landes. Der Film «Ein Tag ohne Frauen» erscheint zum 50. Jahrestag des ersten Frauenstreiks in Island, der wohl als Start der weltweit folgenden Frauenstreiks gelten darf. Eine Aktivistin von damals erinnert sich: «Wir liebten unsere chauvinistischen Schweine, wir wollten sie nur ein wenig verändern!» Seine Botschaft über die kollektive Kraft der Frauen, die Gesellschaft zu verändern, regt an, das Mögliche neu zu denken.

 

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Ein Tag für Frauen: weltweit

 

Ein paar der unzähligen begeisterten Anmerkungen, die der Film wie ein Feuerwerk versprüht, seien zitiert: Ein Werk mit Prominenten wie Vigdís Finnbogadóttir. ̶ Pop-Superstar Björk fand den Film «unglaublich» und hat einen Song für den Abspann beigesteuert, etwas, das sie seit 25 Jahren nicht mehr getan hat. ̶ Die Weltpremiere war am Hot Docs Festival mit ausverkauften Vorführungen und begeisterten Pressestimmen. ̶ US-Premiere war beim Oscar-qualifizierenden Hamptons IFF. ̶ Ein unterhaltsamer Film über die kollektive Kraft der Frauen mit einer wichtigen Botschaft, die beide Geschlechter zum Jubeln bringt. ̶ Die Geschichte eines einzigen Tages, der Island zum besten Land der Welt für Frauen machte, das seither Jahr für Jahr den ersten Platz auf dem Index der Geschlechterparität belegt. ̶ Die First Lady Islands nennt den Film «ermutigend, fesselnd, humorvoll, inspirierend» und hat ihn Hillary Clinton empfohlen. ̶ Es war eine dringend relevante Geschichte, die ähnliche Frauenstreiks weltweit, so in Spanien, der Schweiz und 2018 in Polen, inspirierte.

 

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Regie und Produktion

 

«Ich entdeckte diese Geschichte vor 7 Jahren auf einer Seite eines «Lonely Planet»-Reiseführers für eine Familienreise nach Island und stürzte mich sofort an den Computer, um Filme zu finden, die darüber gedreht wurden. Doch einen solchen gab es nicht. Doch wie kann man 9 von 10 Frauen überall auf der Welt dazu bringen, das Gleiche zur gleichen Zeit zu tun? Und wie konnte die Welt nicht von diesem beispiellosen Akt des zivilen Ungehorsams erfahren, der die isländische Gesellschaft zur Inspiration für uns alle verwandelte?» Das war der Anstoss für die US-Regisseurin Pamela Hogan.

 

Hrafnhildur «Hrabba» Gunnarsdóttir, die Produzentin diverser kleinerer Berichte über das Ereignis, stand als junges Mädchen zusammen mit ihrer Mutter und Zehntausenden von Frauen am 24. Oktober 1975 auf dem Laekjartorg-Platz im Rahmen der historischen «Demonstration für den freien Tag der Frauen». Sie wurde die Produzentin des Erinnerungsfilm.

 

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Feedbacks aus aller Welt

 

Nach dem denkwürdigen Tag meldeten sich die Medien weltweit: So Yahoo News: «Brillante Animation, ein faszinierender, fesselnder und humorvoller Blick auf diese inspirierende Bewegung, die man sich heute unbedingt ansehen muss.» ̶ Next Magazine, New York: «Sie werden aufstehen und jubeln. Es gibt grossartiges Archivmaterial, und die interviewten Frauen erzählen wunderbare Insider-Details. Dieser Film und die inspirierenden Frauen darin sind ein weiterer Beweis dafür, dass Island ein verdammt cooles Land ist, das definitiv und routinemässig über den Tellerrand hinausschaut.» ̶ Edmonton Journal: «Der perfekte Film für den Muttertag!» ̶ 10 Documentaries to Catch at the Hot Docs 2024: «Erhebend. Zusammen mit viel Humor der Aktivistinnen bringen die Animationen Leichtigkeit in eine ohnehin schon bewegende Geschichte.» ̶ Screenfish: «Dieser Film hat eine Verspieltheit, die sowohl enthusiastisch als auch ansteckend ist. Mit zunehmender Eigendynamik wächst die Begeisterung im ganzen Land, wenn diese Frauen die Macht erkennen, die sie wirklich besitzen. Auf diese Weise dient dieser Film als Inspirationsquelle für alle Frauen.»

 

 

 

 

Regie: Pamela Hogan und Hrafnhildur «Hrabba» Gunnarsdóttir, Produktion: 2024, Länge: 71 min, Verleih: Vinca Film