El último tango

Ein Dokumentarfilm von German Kral zeigt mit seiner Liebeserklärung an den Tango und der Lebensgeschichte eines berühmten Tanzpaares den Tango als faszinierendes Lebenselexier.
El último tango

María und Juan, nachgespielt von einem jungen Paar

Ein Dokumentarfilm von German Kral zeigt mit seiner Liebeserklärung an den Tango und der Lebensgeschichte eines berühmten Tanzpaares den Tango als faszinierendes Lebenselexier.

Nahezu ein halbes Jahrhundert haben sie miteinander getanzt. Kein anderer Mann tanzte wie Juan, keine andere Frau wie María, so ihre gegenseitige Würdigung. Erst heute, gegen Ende ihres Lebens, sind sie bereit, ihre Geschichte zu erzählen. Realisiert hat mit dieser speziellen Biografie der Regisseur German Kral, 1968 in Buenos Aires geboren, seit 1991 in Deutschland lebend, einen faszinierenden Dokumentarfilm: «El último tango». Er besteht aus bewegenden Gesprächen mit den über achtzigjährigen Protagonisten und anderen Tanzbegeisterten, aus nachgespielten Szenen sowie Dokumentaraufnahmen der Stationen ihrer Karriere und deren Hintergrund und Umfeld. Der Film wird durch seine gekonnte Gestaltung zu einer wahren Apotheose des Tangos, der Liebe und des Lebens allgemein.

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Juan, zielstrebig und dominant

Ein Leben jenseits der Alltäglichkeit und Normalität

María Nieves Rego (80) und Juan Carlos Copes (83) lernten sich im Alter von 14 und 17 Jahren kennen und tanzten fast 50 Jahre lang miteinander. In dieser Zeit liebten und hassten sie sich, durchlebten schmerzhafte Trennungen und kehrten versöhnt zueinander zurück. Kral erzählt diese Geschichte mit einer Gruppe junger Tänzerinnen und Tänzer aus Buenos Aires, mit den schönsten und dramatischsten Momente aus dem Leben der beiden in einem bewegenden Film, der uns mitnimmt auf eine Reise ins Herz des Tangos – manchmal auch in die Höhen und Tiefen unseres eigenen Herzens.

Entlang der Geschichte von Juan und María beleuchtet der Film die Geschichte des Tangos und den Einfluss, den das Paar im letzten halben Jahrhundert auf diesen Tanz ausgeübt hat. Sie waren die Ersten, die den Tango aus den Clubs von Buenos Aires befreiten und auf die Theaterbühnen der Welt brachten. Im Goldenen Zeitalter des Tangos geboren, in dem der Tanz als «Zeitvertreib der armen Leute» galt, gaben sie alles, ihm ihr Leben zu widmen. Doch mit dem Aufkommen des Rock 'n' Roll begann der Niedergang dieses leidenschaftlichen Tanzes aus Argentinien. María, Juan und ihre Weggefährten aber gaben nicht auf. Keiner war so besessen wie er, der die erste Tango-Bühnenshow kreierte, und keine so treu, ihm auf dem Weg zu folgen wie sie. Diese Entschlossenheit zahlte sich aus: Bald tourten sie durch Lateinamerika und traten später sogar in New York auf. Doch waren diese Zeiten nicht nur rosig, sondern manchmal extrem schwierig, denn der Tango war in den USA völlig unbekannt. Sie hatten kein Geld und mussten kämpfen, um über die Runden zu kommen.

María litt unter Heimweh und wollte zurück nach Argentinien. Das Einzige, was für sie zählte, war Juan, für ihn aber gab es nur den Tango. Auf Marías Drängen hin heirateten sie in Las Vegas und kehrten sie nach Buenos Aires zurück. Anschliessend aber ging Juan ohne María auf Welttournee. Sie war am Boden zerstört, bis sie sich schliesslich auf einer Milonga, einem Tango-Event, in einen anderen Mann verliebte. Juan, der seine frühere Tango-Partnerin vermisste, kehrte zwei Jahre später zurück, um María wiederzusehen. Nun aber war sie mit einem anderen Mann zusammen. Erneut versuchten die beiden, zusammen zu tanzen und zu leben, doch Juans exzessiver Lebensstil zermürbte María. Er trank und traf sich mit anderen Frauen. Dieses selbstzerstörerische Gebaren kostete ihm beinahe das Leben. Dann lernte er eine zwanzig Jahre jüngere Frau kennen, die ihm insgesamt zwei Kind schenkte. Für María war dies ein schwerer Schlag.

Das wurde eine Zeit von blankem Hass. Obwohl Juan und María nicht mehr miteinander sprachen, tanzten sie noch fast zwanzig weitere Jahre miteinander. Der weltweit bejubelte «Tango Argentino» übertraf alle Erwartungen und wurde zu einer der erfolgreichsten Broadway-Shows aller Zeiten. Juan und María waren deren Stars. Doch nach einer Japan-Tournee wählte Juan nicht mehr María zu seiner Tanzpartnerin. Diese, inzwischen über 60 Jahre alt, ging daran beinahe zugrunde, litt unter schweren Depressionen und verlor ihren Stolz und ihr Selbstvertrauen. Erst nach ein paar Jahren fasste sie wieder Mut zum Tanzen, um den lang ersehnten und geliebten Beifall des Publikums zu geniessen. Auch ohne ihren lebenslangen Weggefährten findet sie nun als Frau und Künstlerin zurück zum Leben.

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María, glücklich und leidend zugleich

Der Tango: Grund und Ziel des Lebens

Ein grossartiger, Herz und Seele bewegender Ausdruck der Freude und des Leids, der Wut und der Lust, der Gewalt und der Sinnlichkeit war und ist der Tango für die beiden Besessenen. Gleichzeitig war und ist er deren Ursprung und Lebensgrund. Maria und Juan lebten anfänglich miteinander, doch später immer mehr nur noch nebeneinander. Das Miteinander erleben sie allein im Tango, der für beide das A und das O ihres Lebens war und immer noch ist, beinahe wie bei Gläubigen ihr Gott. Diese Musik und dieser Tanz sind ihr «Élan vital», ihre «Raison d’être».

Der Tango, wie er in dieser berührenden Liebeserklärung an den Tanz und in der turbulenten Liebesgeschichte des Paares erfahrbar wird, ist für sie etwas wie eine höhere Macht, aus welcher ihr Leben heraus- und auf welche ihr Leben hinströmt. Tango ist für sie «religio», Bindung nach oben, welche das Alltägliche, das Diesseitige transzendiert. Aus dieser Spannung entfaltet sich und überhöht sich ihr Leben: ein ungewöhnliches, ein abnormales, ein fast grenzen- und regelloses Leben, nicht ohne Enttäuschung und Frust, ohne Leid und Schmerz, doch immer mit Leidenschaft und letztlich als Abenteuer verstanden. «El último tango» zeigt gelebtes Leben, wie wir es nur selten im Kino zu sehen bekommen.

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Der Tango, der den Saal füllt und die Menschen erfüllt

Regie: German Kral, Produktion: 2015, Länge: 85 min, Verleih: Xenix