Elsa & Fred
Ein halbes Jahrhundert später ist es soweit! Wir haben mit «Elsa & Fred» einen Film, den wir mit Genuss sehen, einen filmischen Traum, den wir weiterträumen, und eine Geschichte, die wir nachleben können.
Nach dem Tode seiner Frau zieht der 78-jährige Alfredo in Madrid in ein kleines Apartment. Seine neue Nachbarin ist die exzentrische Argentinierin Elsa. Sie behauptet, 77 Jahre alt zu sein, ist temperamentvoll, von umwerfendem Charme und schwindelt, wo es nur geht: Er ist eher scheu, still, etwas hypochondrisch und hat sein Leben lang das gemacht, was von ihm erwartet wurde. Wie ein Wirbelwind bricht sie in sein Leben ein, entschlossen, die wertvolle Zeit, die ihr noch bleibt, mit ihm zu geniessen. Die beiden verlieben sich. Ob sich auch ihr sehnlichster Wunsch erfüllen wird, dass sie – wie einst Anita Ekberg in der Fontana di Trevi in Rom ihren Geliebten Marcello Mastroianni umarmte – ihren Alfredo dort umarmen wird?
Leben herrscht um Elsa herum, sei es beim Autocrash vor dem Haus, bei einer nächtlichen Fahrt, beim Mittagessen auf einer Dachterrasse hoch über Rom. Für sie bedeutet es, in Selbstverständlichkeit ihre Träume zu leben, sodass auch Fred sich der jugendlichen Verrücktheit Elsas nicht lange entziehen kann und für ihn ein neues Leben beginnt.
Verrückt, weil verliebt, verliebt, weil verrückt
Als Elsa ihn nach einem vornehmen Diner anstiftet, frech die Zeche zu prellen und gemeinsam zu fliehen, fühlen sie sich von der Polizei verfolgt und beinahe erwischt. Da kommt es zum Streit. Er wirft ihr vor, total verrückt zu sein. Sie nennt ihn einen Langweiler, worauf er mit einem Herzanfall reagiert. Elsa bringt Alfredo in die Klinik, doch als sie gehen will, wird sie von ihm zurückgerufen, er habe erkannt, dass dieser Abend trotz aller Turbulenzen einer der schönsten seines Lebens war.
Diese Geschichte zweier alter Menschen wird nicht nur erzählt, sondern durch sorgfältig ausgesuchte Bilder ins Allgemeinmenschliche vertieft. Landschaften und Räume stehen für Stimmungen. Filmische Nähe und Distanz bezeichnet seelische. Nähe und Distanz, Perspektive und Bewegung betonen Haltungen, machen sichtbar, was eigentlich unsichtbar ist. Das Sichtbare im Film steht für etwas Unsichtbares, das Unsichtbare im Film zeigt sich durch alles Sichtbares. – Einen solchen Film sehen heisst: ihn lesen, Bild um Bild, Sequenz um Sequenz und sie dann in sein Leben einbauen.
Träume mitträumen, Leben miterleben
Den Alten zeigt der Film, wie sie jung werden, den Jungen, wie sie alt werden können, und dass es nie zu spät ist anzufangen, sich sein Leben zu erträumen und es dann auch zu leben. «Man braucht sehr lange, um jung zu werden», meinte einst Pablo Picasso und dachte dabei wohl kaum ans physische Alter, sondern daran, dass es gilt, zum Leben aufzuerstehen, es zu geniessen. «Die Geburt ist», meinte der Philosoph Erich Fromm, «nicht ein augenblickliches Ereignis, sondern ein dauernder Vorgang. Das Ziel des Lebens ist es, ganz geboren zu werden, und seine Tragödie, dass die meisten von uns sterben, bevor sie ganz geboren sind. Zu leben bedeutet, jede Minute geboren zu werden». Von einer solchen Geburt im hohen Alter berichten uns Elsa und Alfredo und laden uns ein, es ihnen nachzumachen.