I Am Greta
Greta vor dem Parlament
Sie ist die Ikone der Klimabewegung und wurde in kürzester Zeit global bekannt. Doch was für ein Mensch ist Greta Thunberg eigentlich, was treibt sie an? Antworten darauf gibt der spannende und nuancenreiche Dokumentarfilm «I Am Greta» von Nathan Grossman. Zwei Jahre begleitete der Regisseur die Protagonistin mit der Kamera: beim ersten Schulstreik 2018 als 15-Jährige in Stockholm, aus dem sich die internationale «Fridays for Future»-Bewegung entwickelt hat, bei Treffen mit Wirtschaftsleuten und Politikern in den verschiedensten Ländern und in ihrem privaten Lebensraum.
Nathan Grossman zeigt die Klimaschutz-Aktivistin nicht nur im Rampenlicht, er ist auch in privaten Momenten ganz nah bei ihr: auf den Reisen, im Kreis ihrer Familie, in Hotelzimmern, zwischen hektischen Terminen und in Momenten von Heimweh, Erschöpfung, Überforderung. «I Am Greta» gewährt überraschende Einblicke in die so faszinierende wie zerbrechliche Persönlichkeit der jungen Schwedin, in ihren Umgang mit dem Asperger-Syndrom und in ihre Motivation für ihr Umwelt-Engagement. Ein gefühlsstarker, dichter, intelligenter Film über eine Mut-Macherin, die unermüdlich und kompromisslos für effiziente Klimaschutz-Massnahmen und damit für eine bessere Zukunft für alle kämpft.
Anfang einer weltweiten Bewegung
Aus einem Gespräch mit Nathan Grossman, dem Regisseur von «I Am Greta»
Wie hast du zum ersten Mal von Greta gehört? Ein Freund von mir hatte die Familie Thunberg getroffen und erzählt, dass Greta einen Sitzstreik plane, um für das Klima zu protestieren, weil sie das Gefühl hat, dass nichts getan werde. Die schwedischen Wahlen standen an, und sie wollte zeigen, wie wichtig dieses Thema für alle ist. Ich blieb zum Beginn im Hintergrund und dachte, ein, zwei Tage zu filmen und dann zu sehen, was passiert. Eines Tages sass sie allein mit einem Schild vor dem Parlamentsgebäude am Boden. Ich fragte sie, ob wir ihr ein Mikrofon setzen und ihr einen Tag lang folgen dürfen. «Schau, wir wissen nicht wirklich, was wir damit machen wollen, vielleicht einen Kurzfilm oder etwas für eine Serie über Kinderaktivisten», erklärte ich ihr mein Tun. An diesem Tag schauten viele Leute vorbei und stellten Fragen, und Greta war gesprächig. Nach den Wahlen beschloss sie, weiterzumachen und jeden Freitag zu streiken. Plötzlich breitete sich die Bewegung auf andere Teile Schwedens aus, dann weiter auf Finnland und Dänemark. Bald hatten wir Filmmaterial eines Monats beisammen. Jetzt wurde mir klar, ich will etwas über diese Bewegung und über Greta machen, ich bin an ihr und ihrer Geschichte interessiert.
War es schwierig, so nah an Greta heranzukommen? Schon die erste Woche war ich von ihrem Gesichtsausdruck dermassen fasziniert, dass ich die Kamera vom Stativ nahm und aus der Hand filmte. Wir haben auch angefangen, miteinander zu diskutieren. Sie war zwar sehr schüchtern, doch immer dabei, wenn wir über Themen diskutierten, die sie interessieren. Ich denke, sie und ihr Vater stellten fest, dass wir den gleichen Standpunkt und das gleiche Interesse am Klimawandel haben. Das war der Beginn unserer Freundschaft. Als sie anfing, in andere Länder zu reisen, sagte ich ihrer Familie, dass ich gerne mitkäme. Ich glaube, sie hatten das Gefühl, dass ich eine Person bin, mit der man zusammen sein kann.
Gut gelaunt auf hoher See
Wie hast du gearbeitet? Der gesamte Film wurde zu 99% von mir gedreht und der Ton zu 95% von mir aufgenommen. Er ist das Produkt eines Ein-Mann-Betriebes. Am Anfang gab es kein Budget, wenn ich ein Projekt startete, versuchte ich, nicht zu viele Leute einzubeziehen. Das Projekt kam mehr und mehr in Fahrt. Ich entschied mich, weiter allein zu drehen, obwohl es sich als schwierig erwies, Regisseur, Tonmann und Kameramann in einer Person zu sein.
Auf welche Herausforderungen bist du gestossen? Die erste Aufgabe war, darüber Klarheit zu bekommen, wie die Geschichte zu erzählen ist: Wird Greta die Hauptfigur – oder die Klima-Bewegung? Ich habe die Frage so gelöst, dass ich meine Kamera auf Greta richtete und Greta ihre Perspektive auf die Umweltsituation. Eine weitere Herausforderung bestand darin, weltweit an Treffen hochkarätiger Führungskräfte teilzunehmen. Das Ganze wurde praktisch ohne Flug gemacht, ausser der Rückflug aus den USA.
Die private Greta mit ihrem Pferd
Ihr seid mit Greta auch über den Atlantik nach New York gesegelt. Als Greta mir von ihrer Einladung in die USA erzählte, sagte ich, dass ich gerne mitgehen würde, weil ich dachte, das könnte der Schluss des Filmes werden. Es war keine leichte Entscheidung für mich, denn die Reise dauerte ein paar Wochen und ich dachte, dass sie auch rau werden könnte. Doch trotz Angst hatte ich das Gefühl, dass die Geschichte dies verlangte.
Einige Momente sind schwierig anzuschauen, beispielsweise Gretas Befinden gegen Ende der Bootsfahrt oder ihre Lektüre der hasserfüllten Kommentare in den sozialen Themen. Warum habt ihr dies dennoch in den Film aufgenommen? Ich bin sehr beeindruckt von Greta, aber selbstverständlich musste ich ihr ganzes Wesen zeigen: ihren Aktivismus, sie aber auch in den guten und schlechten Tagen. Ich fühlte mich so als Teil der Geschichte, hatte darüber auch mit ihr gesprochen: «Ich muss dir auch folgen können, wenn es nicht bequem ist. Natürlich kannst du jederzeit sagen, dass wir aufhören oder den Raum verlassen sollen.» Doch ich wollte einfangen, wie es sich anfühlt, Greta zu sein, eine Aktivistin, die sich mit einem schwierigen Thema befasst.
Hat Greta den Film gesehen? Ja. Ihre Reaktion war, dass es für sie komisch ist, sich auf dem Bildschirm zu sehen, was ich auch verstehe. Sie tut all dies nicht, um berühmt zu werden, sie tut es, um das Thema des Klimawandels und ihre Botschaft darüber zu verbreiten. Greta sagte mir einmal, dass sie Angst hatte, sich im Film nicht wiederzuerkennen, ich würde sie zu jemand anderem machen. Als sie den Film gesehen hatte, meinte sie: «Du hast es geschafft, mich so zu zeigen, wie ich bin.»
Aus dem Pressedossier, übersetzt und bearbeitet von HS
Regie: Nathan Grossman, Produktion: 2020, Länge: 98 min, Verleih: Filmcoopi