Le quattro volte

Ein Film zum Meditieren

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Der Dokumentarfilm von Michelangelo Frammartino ist wahrscheinlich einer der stillsten und kontemplativste der ganzen Filmgeschichte. Äusserlich geschieht kaum etwas, und dennoch ist man dabei Zeuge des Lebens an sich, des Werdens und Vergehens, dies mit Respekt und Würde und dennoch Ehrlichkeit und Lebensweisheit.

Frammartino geht es nicht um den Menschen, sondern vielmehr um die verschiedenen «Reinkarnationen», die dieser durchmacht. Was nach einer hinduistischen Gedankenübung klingt, beruht erstaunlicherweise auf den Lehren des berühmten Philosophen und Mathematikers Pythagoras. Demzufolge sei der Mensch nicht nur menschlich, über einen Verstand verfügend, sondern auch tierisch, pflanzlich und mineralisch. Der Film strömt eine grosse innere Ruhe aus, die einen zum Sinnieren, zum Meditieren über das ursprüngliche Leben in der Natur anregt und damit über den Sinn der Kreatur überhaupt.

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Der Filmemacher zu seinem Film: «In Kalabrien ist die Natur nicht hierarchisch; alle Lebewesen haben eine Seele. Man sieht es, wenn man in die Augen eines Tieres blickt. Man spürt es beim Rauschen einer grossen Tanne im Wind. Man hört es, wenn die Holzkohle singt, als hätte sie eine eigene Stimme.»

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Ein alter Ziegenhirt verbringt sein Leben in einem ruhigen mittelalterlichen Dorf in den Bergen im tiefsten Süden Italiens. Dort hütet er seine Ziegen, an einem Ort, den die meisten Dorfbewohner seit langem verlassen haben. Er ist krank, als Medizin dient ihm der Staub vom Kirchenboden, den er jeden Tag mit etwas Wasser trinkt. Als er eines Nachts stirbt, halten seine Ziegen die Wache am Sterbebett.

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Ein Zicklein wird geboren. Wir verfolgen es, bis es auf den Beinen steht, und erleben seine ersten zaghaften Schritte auf der Erde, wie es heranwächst und kräftig genug ist, um mit den andern zu weiden. Doch in den Bergen verliert es den Anschluss an die Herde. Das Junge sucht Schutz unter einer majestätischen Tanne, die sich im Bergwind wiegt. Es verliert sich im Wald und legt sich an den Fuss des Baumes. In der nächsten Einstellung ist es verschwunden, als wäre es mit dem Baum eins geworden.

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Der Filmemacher Michelangelo Frammartino

Das Leben im Dorf wird bestimmt von den Jahreszeiten. Es wird Winter. Und es herrscht die Tradition, dass man zur «Festa de la Pita» einen grossen Baum aus der Umgebung fällt und auf dem Dorfplatz aufstellt. Wegen seiner herausragenden Grösse, entscheiden sich die Dorfbewohner für jene Tanne, an deren Fuss die Ziege gelegen ist. Nach einem Grosseinsatz der Dorfbevölkerung liegt die imposante Tanne wie ein Skelett auf dem Waldboden. Sie wird von den Bewohnern ins Dorf gezogen und wird zum Mittelpunkt ihres Festes. Danach wird sie umgelegt und in Stücke zersägt. Und die Köhler, die das Holz bekommen, produzieren nach alter Tradition und einem aufwändigen Prozess daraus Holzkohle, die sie als «Glücksbringer» an die Dorfbewohner verteilen. Und am Schluss dieses Films von grosser innerem Reichtum und visueller Dichte verliert sich unser Blick im Rauch der Asche.

Trailer