Le tableau noir

Eine Gruppe arbeitsloser Männer irrt, wie eine Insektenkolonne, durch eine karge Landschaft an der Grenze zwischen Iran und Irak und trägt riesige Schiefertafeln auf dem Rücken, die sie klaglos transportiert, um Schülern das Lesen und Schreiben beizubringen. Ihr Weg scheint endlos. Zu reden gibt es nicht viel.

Die beiden Lehrer Said und Reboir trennen sich von der Gruppe und durchstreifen das Gebirge auf eigene Faust. Reboir stösst auf Kinder, die gestohlene Ware über die Grenze schmuggeln. Said schliesst sich einer Schar alter Kurden an, die es zum Sterben in ihre Heimat zieht, und macht Bekanntschaft mit hundert alten Männern, die eine jungen Frau mit Kind begleitet. Zu den ironischen Höhepunkten den Films zählt die Episode mit Said, der nichts unversucht lässt, seine Bildung an den Mann zu bringen, der sich kurzerhand verheiraten lässt, damit er die heimkehrenden Kurden weiterhin begleiten und belehren darf.

Metaphern

Obwohl im Film «Le tableau noir» der erst 21-jährige Regisseurin Samira Machmalbaf zwei Lehrer im Mittelpunkt stehen, enthält er keine didaktisch aufbereiteten Lebenshilfen. Er geht Grundfragen der Existenz nach, etwa der Ignoranz, die für viel menschliches Leid verantwortlich ist – sicher ein wesentliches Thema im Leben von Lehrpersonen. – Machmalbaf verrät in diesem, ihrem zweiten Film grosse Vorliebe für Metaphern.

Als erstes fällt die «Grenze» im Vielvölkerstaat als Metapher auf, Hinweis auch auf Heimat und Heimatlosigkeit, Orientierungs- und Hoffnungslosigkeit. Pädagogen und Pädagoginnen erleben diese Grenze immer wieder in ihrer Arbeit. Gelegentlich sind es die Landes- oder Völkergrenzen, häufiger jedoch die Grenzen, die Ignoranz und Unwissenheit, die doch wesentliche Themen des Erziehens sind.

Als weitere Metapher steht die «Wandtafel» für das Lehren im Allgemeinen, das Tun von Lehrern und Lehrerinnen. Der Konflikt zwischen Bildung und Alltag war schon im ersten Film der Iranerin, «La pomme», Inhalt und Thema. Diesem setzt sie entgegen den täglichen Überlebenskampf und im Kontrast dazu die Bilder der liebenswürdig unbedarften, mitunter missionarisch übereifrigen Lehrer.

Eine weitere auffällige Metapher ist jene von «Alt und Jung», welche die Enden des Lebens, die beiden Lebensphasen, in denen man sich und andern zur Last werden kann, umspannt und reflektiert: mit den Kindern, die überfordert sind vom Schmuggeln, den Alten, die Gebrechlichen helfen, der Frau, die ihr Kind trägt. In dieser Polarität sind wir alle eingespannt; von dieser Spannung lebt der Film.