Les femmes du 6e étage
Jean-Louis Joubert (Fabrice Luchini) ist ein hochanständiger, angepasster, etwas verklemmter Börsenmakler, der kaum je aus sich heraus kommt, seine Frau Suzanne (Sandrine Kiberlain), zu ihm passend, brav und langweilig, verbringt ihre Zeit mit Kaffee Trinken, Coiffeur- und Pedicure-Besuchen. Klar, dass diese Herrschaften im Haushalt keinen Finger rühren, dafür haben sie eine Haushälterin. Und weil eine gerade den Hut genommen hat, muss eine neue her. Der Hausherr wird rasch fündig, denn im sechsten Stock seines Hauses wohnen Spanierinnen, die alle irgendwo als Dienstmädchen arbeiten. Die junge, schöne Maria (Natalia Verbeke) wird Jouberts Wohnung in Ordnung halten und Jean-Louis mehr als nur faszinieren...
Der Film von Philippe Le Guay unterhält mit leichtfüssigen Pointen, die entweder die Grossbürger oder ihre Bediensteten charakterisieren, nicht als sozialkritisches Drama, sondern als komödiantische Fabel. «Les femmes du 6ème étage» handelt von der Animation zu Lebenslust und -freude durch die spanischen Gastarbeiterinnen und der braven, spiessigen und langweiligen Korrektheit der französischen Herrschaften. Dabei bleibt die Frau des Hausherrn anfänglich etwas auf der Strecke, dass man sie bemitleiden möchte, erlebte sie bis zum Schluss nicht auch noch ihr Happy End mit einem Künstler, mit dem sie ein neues Leben beginnt.
Getragen wird das Märchen von einem hervorragenden Fabrice Luchini, mit seinem seligen Lächeln auf dem Gesicht, und der in sich gekehrten Sandrine Kiberlain, die als perfekte Vertreterin der Pariser Oberschicht der 60er Jahre ihr Leben ad absurdum führt. Als er von ihr aus der Wohnung geworfen wird, weil sie glaubt, er hätte eine Affäre, zieht er zu den Spanierinnen im sechsten Stock und fühlt sich zum ersten Mal so richtig frei, weil er statt Komfort nun endlich ein eigenes Zimmer hat. Was äusserlich als Abstieg erscheint, erweist sich in Tat und Wahrheit als Aufstieg zu mehr Menschlichkeit. Das stellt nicht die einzige märchenhafte Wendung in diesen fast zwei vergnüglichen Kinostunden dar. Doch sollte man die Klassenkampf-Brille besser zu Hause lassen, um den Film richtig geniessen zu können. Das Bürgertum wird mit Samthandschuhen angefasst und das Elend der Spanierinnen nur am Rande erwähnt. Doch warum auch nicht? Das Kino darf die Welt doch auch mal so zeigen, wie sie sein sollte oder könnte, und nicht wie sie wirklich ist. So verlässt man das Kino gut gelaunt, ohne irgendjemandem böse zu sein, und freut sich über die Fabulierlust einer kleinen, feinen französischen Filmperle, einer erfolgreichen Animation, auch im Alter sich noch einmal zu ändern.
Das fremdländische Leben in den Dachkammern
Die spanischen Hausmädchen, Köchinnen und Putzfrauen im sechsten Stock eines Hauses im Pariser Nobelquartier bringen das ruhig dahinplätschernde Lebens der Familie Joubert ins Rotieren. Jean-Louis entlocken sie ein erstes Lächeln, weichen seine versteiften Gesichtszüge auf und verführen ihn zu einem Tänzchen und mehr. Suzanne lassen sie Verdacht schöpfen, ihr Mann hätte eine Geliebte, und sie wird aus dem Trott ihres Lebens als Madame herausgerissen. Ihre beiden verwöhnten und im Internat erzogenen Jungen werden durchgeschüttelt, indem sie erstmals erleben, dass es neben ihrem genormten Aristokratenleben noch ein anderes, viel lebendigeres Leben gibt.
Ein Feuerwerk der Spontaneität und Lebenslust
«Les femmes du 6e étage», dieses romantische Märchen, ist beschwingt, warmherzig, humorvoll, mit wunderbaren Schauspielern besetzt, unter anderem der aus Almodóvar-Filmen bekannten Carmen Maura als Concepción. Der Regisseur, der sich beim Drehen lebhaft an das spanische Dienstmädchen in seinem eigenen Elternhaus erinnerte, wollte all den Frauen aus anderen Ländern, die in Paris unbeachtet arbeiten, ein Gesicht geben. Und diese Hommage ist ihm gelungen. Seine Spanierinnen sind allesamt handfeste, bodenständige, gestandene Frauen mit überbordender Vitalität und einem Herzen auf dem rechten Fleck; die Französinnen dagegen zeigen sich als konventionelle, gelangweilte, hochnäsige, sterile Damen.
Diesmal sind es nicht die «Frauen am Rande des Nervenzusammenbruchs» (wie ein Film von Pedro Almodóvar heisst), sondern Frauen am Rande des Frohsinns, der Heiterkeit, der Spontaneität, der Lebensfreude und Lebenslust. Sie erzählen zudem eine Geschichte, in der Kulturen sich zum Guten beeinflussen und vermischen: Sie zeigen, wie eine lebendige eine tote Kultur zum Leben erwecken kann – und dies nicht mit jungen Menschen, sondern mit älteren, die sich bekanntlich nicht mehr so leicht ändern, zumal wenn es um das Ablegen alter oder das Annehmen neuer Gewohnheiten handelt.