Ménage à trois

Dokumentarfilm über eine Berliner Alters-WG, welcher das Zwischenmenschliche sehr schön ausleuchtet und trotz gezeigter Altersbeschwerden Lust auf das Alter macht.

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Später Neuanfang

Rudolf Buth, 85 und verwitwet, hält die Einsamkeit nicht mehr aus. Schweren Herzens entschliesst er sich, seine Wohnung, in der er 45 Jahre, lange Zeit davon mit seiner geliebten Frau, gelebt hat, aufzugeben und eine neue Bleibe zu suchen. Pauline Pappert und Therese Heinze, beide ebenfalls 85, wohnen seit zehn Jahren in einer Frauen-WG. Nachdem sie lange Zeit vergeblich nach einer Mitbewohnerin Ausschau gehalten haben, sind sie nun gewillt, es mit Rudolf zu versuchen.

Die ersten Wochen in der WG des Diakoniezentrums in Berlin stellen alle Beteiligten auf eine harte Probe. Verschiedene Lebenserfahrungen und -entwürfe und unterschiedliche Mentalitäten und Vorlieben prallen aufeinander. Einfühlsam und ideenreich gelingt es den beiden Damen nach und nach, ihren neuen Mitbewohner von sich und ihrer WG zu überzeugen. Dieser entpuppt sich jedoch als absoluter Glücksfall. Er weiss die beiden Damen mit seinem Charme zu begeistern. Während Therese glaubt, ihn noch etwas erziehen zu müssen, bereitet es Pauline sichtlich Vergnügen, mit ihm herumzuschäkern.

Der ruhig anlaufende und sorgfältig sich entwickelnde Film verschweigt nicht, trotz vieler sympathischer und auch sentimentaler Szenen, dass Herr Buth nach dem Tode seiner Frau entschlossen war, sich umzubringen. Und auch die immer zu einem Spässchen oder einer frechen Bemerkung aufgelegte Frau Pappert war schon in der Nervenklinik und muss am Schluss der Geschichte wieder dorthin. Trauer in der Freude und Freude in der Trauer, diese Grundstimmung des Films, steht für eine im Alter verbreitete Emotionalität.

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Therese Heinze und Rudolf Buth

Suche nach einem neuen Sinn

Der Filmtitel kann durchaus als Wortspiel verstanden werden: «Ménage» in seiner ursprünglichen Bedeutung als Haushalt, «Ménage à trois» als Metapher für ein Liebesspiel zu dritt. Für die Dramaturgie erwies sich die Konstellation mit den drei Protagonisten als perfekt: Ein Mann, zuvorkommend und witzig, der etwas Aufmunterung bedarf, und zwei Frauen, die ihn beide sympathisch finden und auf je verschiedene Art seine Nähe schätzen.

Die Schweizerin Natalie Pfister und der Deutsche Frank Haller, beide 1975 geboren, zeigen auf, wie drei alte Menschen in einer Wohngemeinschaft miteinander umgehen und sich im hohen Alter nochmals öffnen, aufeinander zugehen und zueinander finden: in genau beobachteten und fein gezeichneten Szenen und Gesprächen, Bemerkungen und Gesten zur Darstellung gebracht.

Dieser Neuanfang mit 85 ist bei Rudolf, Pauline und Therese vor allem vom Bemühen geprägt, das Beste aus dem immer mühsamer werdenden Leben herauszuholen. Vielleich ein bisschen in Anlehnung an Brechts Erzählung «Die unwürdige Greisin», die mit dem Satz endet: «Sie hatte (…) das Brot des Lebens aufgezehrt bis auf den letzen Brosamen.» Mit Augenzwinkern wird dies erlebbar in der Szene, in der Rolf und Ruth mit zaghaft tänzelnden Schritten auf den Jahrmarkt mit der Musik im Hintergrund zusteuern, bis daraus ein wunderbares Tanzpaar wird. Dass mit dem Alter, wie vorgeführt, alles langsamer und ruhiger vor sich geht, wird offensichtlich und nachvollziehbar, kann dennoch grosse innere Befriedigung und stilles Glück auslösen. Von solchen Menschen können wir lernen, dass es auch andere Perspektiven auf das Leben gibt als die über die Medien millionenfach verbreiteten derjenigen, die in der Mitte des Lebens stehen! Dass es dabei den Filmemachern und den Protagonisten gelungen ist, in der Inszenierung und der Behandlung der eigenen Probleme eine feine ironische Distanz zu erzeugen, macht eine Stärke dieses knapp einstündigen Filmes aus.

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Pauline Pappert und Rudolf Buth

Die Filmemacher über ihre Protagonisten

Natalie Pfister und Frank Haller stellen mit ihrem ersten gemeinsamen Werk eine Frage, die es im Umfeld des Alters immer neu zu beantworten gilt: «Welche Perspektiven hat man noch, wenn man als alter Mensch seinen eigenen Haushalt auflöst, um ins Altersheim zu ziehen? Was erwartet man noch von seinem Leben nach diesem meist letzten einschneidenden Schritt? Die Frage nach den Perspektiven im Leben war für mich persönlich schon immer eine zentrale», meint Pfister und spricht damit jedoch etwas Allgemeines an. Die Suche nach dem Sinn des Lebens gilt nicht erst im Alter, sondern in jeder Lebensphase, wird in der Zeit des Erwerbslebens oft verdrängt. Die Antworten der Alten mit ihrem «Immer noch» oder «Weiter noch» fallen deshalb oft radikaler und endgültiger aus als jene der Jungen. Ist das vielleicht ein Ansatz für einen zukunftsweisenden Generationen-Dialog?

«Ich habe während der Dreharbeiten viel von unseren drei Protagonisten gelernt», meint Haller und fährt fort: «Was mich persönlich am meisten beeindruckt hat, war, wie sich die drei von den zahlreichen Schicksalsschlägen, die ihnen auf ihrem Lebensweg widerfuhren, immer wieder erholt haben und wie offen sie sich gegenüber uns Filmemachern und unserer Kamera gezeigt haben.» Solche Offenheit und Ehrlichkeit überzeugen und beeindrucken, denn erst im Alter ist man von Vorgesetzten und Arbeitgebern unabhängig und frei. «Die Szenen der Drei auf der Couch verdeutlichen für mich zwei Dinge: Erstens sieht man, wie die Protagonisten zusammengewachsen sind und zweitens, wie sie den filmischen Raum zunehmend als ihren performativen Raum erobern, in dem sie ihre Sympathie, aber auch ihre Kritik an den anderen Mitbewohnern humorvoll zum Ausdruck bringen konnten», stellt Haller weiter fest. Die drei Protagonisten waren offensichtlich für das Filmerteam – und ich meine: sind auch für uns – ein wahrer Glücksfall.

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Aufführungen

Zürich, Filmpodium:

Montag, 2. Juli um 18.15 in Anwesenheit der Regie
Donnerstag, 5. Juli um 15.00h
Freitag, 6. Juli um 18.15h
Mittwoch, 11. Juli um 15.00h
Samstag, 14. Juli um 15.00h
Sonntag, 15. Juli um 18.15h
Donnerstag, 19. Juli um 18.15h

Andere Vorführungen folgen.

Ausstrahlung bei SF: Dezember 2012

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