Miral
Um das Mädchen Miral rankt sich die ungewöhnliche, berührende Geschichte zweier Generationen, die zusammen exemplarisch das Schicksal des ganzen Volkes in Palästina widerspiegeln. Neben Hind, Nadia und Miral spielt das Land mit seinem Licht, seinen Farben und seinen Gerüchen eine Hauptrolle, und gilt nur, da und dort etwas sehr forciert, die eine Botschaft, Frieden zu schaffen. Julien Schnabel, der Regisseur dieser französisch-israelisch-italienisch-indischen Produktion, verfilmte mit «Miral» den autobiografisch gefärbten Roman seiner Lebensgefährtin Rula Jebreal. Zuvor wurde er ausgezeichnet mit Filmen wie «Basquiat» und «Schmetterlinge und Taucherglocke» und gilt heute als wichtiger Vertreter der figurativen modernen Malerei.
Der Film spielt ab den 1980er Jahren in Jerusalem und beschreibt den Lebensweg der jungen palästinensischen Israelin Miral. Diese hat früh ihre Mutter Nadia verloren, wächst dann aber trotz schwieriger Familiensituation und angespannter Lage im Dar-Al-Tifl-Institut in Ostjerusalem unter der klugen und sorgenden Führung ihrer Lehrerin Hind Husseini, einer Ikone der israelisch-palästinensischen Friedensbewegung, zu einer selbstbewussten jungen Frau heran. Diese entstammt einer wohlhabenden palästinensischen Familie. Auf die Zwistigkeiten in ihrem zerrissenen Land reagiert sie mit einer beispiellosen humanitären Initiative. Sie gründet ein Wohnheim für Mädchen mit angeschlossener Grund- und weiterführender Schule und setzt alles daran, ihre Schützlinge zu wachen, lebensklugen und friedliebenden Menschen zu erziehen. Als junge Lehrerin arbeitet Miral anschliessend selbst mit palästinensischen Kindern. Doch als Miral sich während der ersten Intifada in den jungen PLO-Aktivisten Hani verliebt, droht auch sie in den Strudel der Gewalt hineingerissen zu werden.
Vordergründig erzählt der Film die Biografie der Lehrerin Hind Husseini. Mit den szenischen Nebenschauplätzen der Geschichte und mit historischen Dokumentaraufnahmen erweitert er sich jedoch zu einem Geschichtsfilm über Israel/Palästina von 1948, der Gründung Israels, bis zu den Friedensverhandlungen von Oslo 1994. «Ich bin ein Künstler, kein politischer Experte», meint Schnabel, lässt jedoch unerwähnt, dass gerade seine genaue Beobachtung des realen Alltags der drei Frauen und ihrer Umwelt er eine politische Dimension des Privaten sichtbar macht. «Heute scheint es häufig, als könnten die militärischen Antworten die Lösungen sein – und doch sind Diplomatie und Frieden die einzige wahre Hoffnung für normale Menschen, die versuchen, ein normales Leben zu führen», meint Rula Jebreal.
Vielleicht ist der Film gerade Ende 2010 ein letztes Signal, dass nur Bildung, die den ganzen Menschen und alle Menschen umfasst, auch die Moral und auch die Politik, die einzige Lösung aus der verfahrenen Situation im Nahen Osten bringen könnte, nicht der von vielen für die nächste Zeit prognostizierte Krieg. – Gerade aus diesem Grund scheint mir wichtig, dass «Miral» von möglichst vielen Menschen sehen.