Mr. Morgan's Last Love

Eine letzte Liebe gefunden: Inspiriert vom Roman «La douceur assassine» von Albin Michel verhilft eine 30-Jährige einem 80-Jährigen im Spielfilm «Mr. Morgan’s Last Love» zu seinem dritten Frühling.

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Michael Caine als Matthew Morgan

Eigentlich ist die Geschichte vom alten, müden Mann, der durch die Bekanntschaft mit einer jungen, lebenslustigen Frau noch einmal neuen Lebensmut fasst, nachdem er sich schon beinahe aufgegeben hat, banal. Aber nicht falsch! Denn sie passiert täglich quer durch alle Gesellschaftsschichten. Alles, was es über solche Verhältnisse zu wissen gibt, glaubt man zu wissen, so dass jede weitere Alter-Mann-und-junge-Frau-Geschichte eigentlich obsolet wird. Deshalb scheint es auch im ersten Augenblick keine besonders gute Idee der Regisseurin Sandra Nettelbeck zu sein, eine solche Geschichte noch ein weiteres Mal zu verfilmen. Dies zudem in Paris, wo Claude Sautet 1995 sein thematisch verwandtes Abschiedswerk «Nelly und Monsieur Arnaud» gedreht hat. Doch «Mr. Morgan’s Last Love» bringt das Thema in neuer Form, ungewohnter Tonart und mit unerwarteten Zutaten auf die Leinwand.

Die Geschichte beginnt mit dem Tag, an dem die junge Französin Pauline Laubie (Clémence Poésy) dem alten Amerikaner Matthew Morgan (Sir Michael Caine) in Paris in einem Bus ihre Hilfe anbietet. Nach diesem Zeitpunkt stolpert der sture, vom Leben erschöpfte Alte Hals über Kopf die Treppen hinunter ins Glück. Die entwaffnende Lebensfreude und der unerschütterliche Optimismus der jungen Frau erobern sein altes Herz. Und aus dem Professor wird plötzlich ein Student – in der Schule des Lebens. Auf ihren alltäglichen Abenteuern, Spaziergängen durch die Stadt, Mittagessen im Park und Reisen aufs Land, entdeckt das ungewöhnliche Paar immer neue Werte: Freundschaft, Gemeinschaft, Romantik und Familie. Indem sie sich gegenseitig darin bestärken, wieder an menschliche Zuneigung zu glauben, findet Pauline unerwartet eine neue Familie und Matthew nach langer Trennung wieder zu Sohn und Tochter.

«Mr. Morgan's Last Love» erzählt die ebenso schlichte wie bewegende Geschichte von einem emeritierten Hochschuldozenten, der um seine verstorbene Frau trauert und drei Jahre nach deren Tod in einer Zufallsbekanntschaft mit einer jungen Frau eine platonische Liebe erlebt. Er ist der «Amerikaner in Paris», der in den vielen Jahren seines Aufenthaltes im Land nie Französisch gelernt hat. Seine Frau besorgte das Sprechen für ihn, und die gemeinsamen Freunde verstanden Englisch. Diese Konstellation erweist sich als fatal, als die Frau stirbt. Alle Kontakte zum wirklichen Leben verlieren sich, er vereinsamt. Sein Leben bewältigt er nur mit der Routine. Die neue Beziehung, die sich zwischen den beiden entwickelt, ist von gegenseitiger Achtung und Anteilnahme geprägt, fernab jeglicher sexueller Absichten.

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Clémence Poésy als Pauline Laubie

Tatsächlich gelingt es der deutschen Filmemacherin über weiteste Strecken, mit leichter Hand, klugem Drehbuch und gut geführten Protagonisten eine heitere, unbeschwerte Atmosphäre zu schaffen, die reich ist an Feinheiten zwischenmenschlicher Beziehungen, ohne die lauernden Abstürze zu verleugnen. Sie lässt das Publikum, filmisch unaufdringlich und gelöst, Mr. Morgans schmerzlichem Erinnern, aber auch der aufkeimenden Zuneigung folgen. Diskret und mit grosser Empathie nähert sie sich ihren Hauptfiguren und gibt ihnen, mehr als im Buch, zusätzliches Profil. Sir Michael Caine zeigt als Matt einmal mehr, welch brillanter Schauspieler er ist. Clémence Poésy gibt die Pauline mit unverfälschtem Charme und absolut authentisch. Weniger differenziert bleiben die beiden Kinder von Mr. Morgan. Der inzwischen 80-jährige Caine übernimmt nach eigener Aussage nur noch dann eine Filmrolle, wenn er beim ersten Lesen des Drehbuches vollends gepackt wird. Beim Studieren des Scripts von «Mr. Morgan's Last Love» hat er gedacht, dass dies eine der schönsten Rollen sei, die ihm je angeboten wurde. «Ich musste das spielen», soll er gesagt haben. Beide ergänzen sich im Spiel wunderbar. Diese Freundschaft eines Paares über den grossen Altersunterschied und die kulturelle Verschiedenartigkeit hinweg wird hier zu einem Märchen, wie es auch das Leben schreibt.

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