Que sera?

Auf den ersten Blick scheint alles ideal: eine Kindertagesstätte und ein Altersheim unter einem Dach – in der «Schönegg» in Bern: Eine Utopie, die Wirklichkeit geworden ist!

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Alte und junge Menschen treffen sich, sprechen und tun etwas miteinander, und es kommt dabei zu schönen Begegnungen. Solche Versuche gibt es immer wieder. Es sind Schritte in die richtige Richtung.

Radikale Fragen nach dem Alter

Auf den zweiten Blick – und der Film QUE SERA? besteht fast ausschliesslich aus «zweiten Blicken» – spürt man das Bemühen, den Alten und den Kindern mit Würde zu begegnen. Liebenswürdigkeit und Menschenfreundlichkeit sind in jeder Sequenz erlebbar. Doch tiefer als die vorläufigen Antworten auf die Herausforderung des Alt-Werdens sind die radikalen Fragen nach dem Sinn des Alters, des Lebens überhaupt. Nicht nach der «Sinnlosigkeit des Alters», wie eine renommierte Zeitung schrieb. Sinnlosigkeit erlebe ich im täglich zelebrierten Irrsinn des Wirtschaftskrieges, des Politiktheaters, der Umweltzerstörung, der Gewalt. Der Dokumentarfilm hält uns in seinen schönsten Momenten allgemein gültige poetische Metaphern des Sterbens, des Todes, aber auch der Geburt und der Kindheit entgegen.

Der Film beschönigt das Alter nicht. Dieter Fahrer, der Regisseur, kennt das Leben im Altersheim; er war längere Zeit in der «Schönegg» als Hilfspfleger tätig. Niemand kann den alten Menschen ihre Jugend zurückgeben. Der Film kommt – wie auch das Pflegepersonal im Heim – den alten Menschen mit Einfühlungsvermögen und Würde entgegen. Respekt vor den alten Menschen, aber auch den Kindern im Film führt uns Zuschauende selbst zum Respekt vor dem Alter und der Jugend.

Hans Saner hilft uns, besser zu verstehen

«Auffällig ist, wie negativ die Kindheit und das Alter (in Hochleistungs-Gesellschaften) gekennzeichnet sind. Das Kind ist das Noch-nicht, und die Alten sind die Nicht-mehr. Kinder und Greise sind Mängel-Menschen und ihnen fehlt keineswegs etwas Beiläufiges, sondern das zentral Menschliche: Sie können noch nicht oder nicht mehr richtig reden; sie sind noch nicht oder nicht mehr vernünftig, noch nicht oder nicht mehr zurechnungsfähig, noch nicht oder nicht mehr reinlich, noch nicht oder nicht mehr produktions- und genussfähig, noch nicht oder nicht mehr freiheitsfähig.

Der Mensch ist Mensch in jedem seiner Lebensalter. Jedes Lebensalter ist den anderen in einzelnen Momenten überlegen, in anderen unterlegen. Im Hinblick auf jedes müssen wir die ihm eigenen Qualitäten entdecken und sie kultivieren." Aus: Macht und Ohnmacht der Symbole, Lenos Verlag, Basel 1999.

Zukunftsweisende Versuche

«Que sera?» zeigt Bilder, die vielleicht provozieren, doch gerade deshalb zu eigenem Denken über das Altern anregen. Wohin hat es die Medizin eigentlich gebracht? So etwa fragen wir uns. Der Film löst Gefühle aus, die wir zu verarbeiten haben. Möchte ich so alt werden? Möchte ich so enden? Angst überfällt uns. Beides zusammen, das Denken und die Gefühle, kann uns zu besserem Handeln befähigen. Sei es, indem solche Versuche des Zusammenlebens weiter reflektiert und realisiert werden. Sei es, dass man in der Öffentlichkeit Alt und Jung vermehrt thematisiert und wir im Alltag dieses Miteinander zu leben versuchen.

Notwendig sind für künftige Projekt weitere Analysen, Reflexionen und Innovationen. Blinde Euphorie und immer mehr des Gleichen führt zum Misserfolg. Phantasie und Realitätsbezug sind nötig, um das Alter in der heutigen Gesellschaft menschenwürdig zu positionieren.

Antworten müssen wir allein

Die Ex-Bundesrätin Ruth Dreifuss meinte: «Weil wir verschieden sind, müssen wir Berührungspunkte finden. Weil wir uns ähnlich sind, müssen wir innehalten und darüber nachdenken, was uns gemeinsam ist.» Und Michel de Montaigne schrieb: «So vergehe ich und entwische mir selbst.»

Marcel Proust kritisierte: Ist es «mit dem Alter wie mit dem Tod. Einige begegnen ihm mit Gleichgültigkeit, nicht weil sie mehr Mut, sondern weil sie weniger Einbildungskraft als die andern haben.» Für eine Erweiterung der Einbildungskraft sorgt der Film.

«Que Sera, Sera» heisst es im Lied von Doris Day aus dem Jahre 1956. Wenn man im Film genau hinhört und hinsieht, merkt man, dass hier nicht nur die Frage des Alters, sondern auch die Frage des Lebens allgemein gestellt wird. Wohin gehen wir? Welches Ziel hat das Leben? Heisst Leben etwa: Warten auf Godot?

Dieter Fahrer fragt nach diesem Wohin, und wir haben persönlich zu antworten, was für uns verbindlich ist. Denn es gibt nur individuelle Antworten: deine, meine, Ihre. «Que sera?» schlägt solche Antworten vor, ermuntert uns jedoch, unsere eigene zu finden.