Sein letztes Rennen

Der Spielfilm «Sein letztes Rennen» erzählt unterhaltsam und berührend vom heute 83-jährigen Paul Averhoff, der in seiner Jugend Sieger des Melbourne Marathon war, mit Didi Hallervorden in Bestform.

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1956 Marathon-Sieger. Und heute mit 83?

Der deutsche Regisseur Kilian Riedhof zeigt, dass gute Filme nicht immer kompliziert und schwierig sein müssen. Wenn sie spannend erzählt und glaubhaft dargestellt sind, kann auch eine einfache Geschichte unterhalten und zugleich bereichern. Nötig sind, wie hier, eine Story, die dem Leben, wie hier, zum Beispiel von alten Menschen, abgeschaut ist, und ein Darsteller, der diese authentisch und lebenserfahren verkörpert, wie hier Didi Hallervorden. Vielleicht bewegt einen so eine Geschichte nicht über Jahre, doch neunzig Minuten gut unterhalten und menschlich bereichert ist man mit der Komödie «Sein letztes Rennen» sicher.

Damals und heute

1956 wurde Paul Averhoff – Dieter (Didi) Hallervorden in einer Glanzrolle – zur Legende, als er bei den Olympischen Spielen in Melbourne beim Marathonlauf Gold holte. Und heute im Alter von 83 Jahren fühlt er sich immer noch fit und unternehmungslustig. Doch seine Frau Margot – einfühlsam und differenziert gespielt von Tatja Seibt – ist in letzter Zeit wiederholt gestürzt, ihr wird es im eigenen Haus zu viel. Eine Pflegerin haben sie schon weggeschickt. Doch jetzt besteht ihre Tochter Birgit – Heike Makatsch, schön und glaubhaft – darauf, dass ihre Eltern ins Altenheim ziehen, sie kann die beiden nicht beherbergen. Nach vielen glücklichen Jahren müssen sie aus dem vertrauten Zuhause ins Heim umziehen, wo sich vor allem Paul wie scheintot vorkommt. Ausser fromme Lieder singen und Kastanienmännchen fürs Herbstfest basteln, passiert hier nichts. «Irgendwann hat man sich tot gebastelt. Und das soll es dann gewesen sein?»

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Didi und seine Tochter Birgit

Turbulenzen im Heim

Paul will ausziehen, Margot möchte bleiben. Paul muss sich arrangieren, was nicht ohne Probleme verläuft. Schnell gerät er an einen speziellen Heimbewohner, der durch Pauls schiere Präsenz seinen Frieden gestört sieht. Die Betreuerin Frau Müller – eine differenzierte Katharina Lorenz – behandelt Paul wie ein aufsässiges Kind. Dringend braucht er Ausgleich. Er holt seinen alten Sportanzug und die Laufschuhe hervor und beginnt im Park, langsam steigernd, zu trainieren. Den verblüfften Mitbewohnern, die ihn für verrückt halten, verkündet er, dass er am Berlin Marathon teilnehmen und gewinnen wolle. Selbst Margot fürchtet, dass ihr Mann sich lächerlich macht, und versucht, ihn von seinen Plänen abzuhalten.

Dann aber erinnert sich ein Mitbewohner an Pauls Glanzzeit und zeigt stolz ein Foto des jungen Olympiasiegers herum. Damit scheint sich das Blatt zu wenden. Auf einmal erinnern sich auch andere an den Helden von einst. Und als Paul auch noch Margot überreden kann, ihn zu trainieren, ist es schon fast wie früher. Seine Mitbewohner tauen langsam auf, schwänzen ihre Bastel- und Singstunden, um von der Parkbank aus zu beobachten, wie er seine Runden dreht. Dank Pauls ungewöhnlichen Aktivitäten werden auch andere aus ihrer Lethargie gerissen und beginnen ein Gefühl dafür zu bekommen, dass das Leben noch mehr zu bieten hat. Selbst ein kleiner Kreislaufkollaps kann ihn nicht bremsen.

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Seine ersten Runden im Park des Altersheimes

Stur ja, aber nicht depressiv

Paul wird von der Heimleitung eine Depression unterstellt und ein Psychiater beigezogen, was selbst Birgit absurd findet. Denn Paul mag stur sein, aber sicher nicht depressiv. Nun will er es ihnen zeigen! Unter dem Jubel der Heimbewohner tritt er zu einem Wettrennen gegen den jungen Pfleger an. Anfangs hängt dieser ihn ab, kurz vor dem Ziel aber kann Paul ihn ein- und um eine Armeslänge überholen. Seine Mitbewohner sind begeistert, jetzt hat Paul auch die letzten Zweifler auf seiner Seite. Zur Siegesfeier gibt es Sekt, alte Fotos und Erinnerungen. Zum ersten Mal erzählen sich die Alten von ihrer Vergangenheit und ihren Familien.

Frau Müller hat Paul auf ihre Weise analysiert: Er läuft aus Angst dem Tod davon. Das beleidigt ihn zu tiefst, dass er ihr wutentbrannt die Brille von der Nase schlägt. Doch das ist zu viel! Wütend packt er den Koffer und stürzt mit Margot aus dem Heim. Da sie kein eigenes Zuhause mehr haben, ziehen sie kurzerhand bei ihrer Tochter ein, die darüber alles andere als begeistert reagiert. Bei einer Talkshow am Fernsehen, zu der er eingeladen wird, spricht er nicht sehr schmeichelhaft über den Alltag in seinem Heim. Obwohl Birgit mit der Wohngemeinschaft überfordert ist, kann Paul sie überreden, wenigstens bis zum Marathon bleiben zu dürfen.

Wie es weitergeht, soll verschwiegen bleiben. Es gibt noch einige hübsche Überraschungen. Und dies nicht nur zur momentanen Unterhaltung, sondern immer mit Weisheiten aus dem Leben von Paul und wohl auch vieler anderer alten Menschen in Heimen oder ausserhalb. Dem Film gelingt es, ohne zu moralisieren oder übertrieben zu dramatisieren, Berührendes und Bedenkenswertes über die Bedürfnisse und Sehnsüchte alter Menschen, aber auch derjenigen um sie herum, zur Darstellung zu bringen.

Regie: Kilian Riedhof
Produktionsjahr: 2013
Länge: 114 min
Verleih:
www.arthouse.ch