Still Alice
John und Alice: zu zweit allein
Der Alzheimer Spielfilm «Still Alice» vom Leben mit schwindender Vergangenheit berührt und bewegt, mit Julianne Moore, der Oscar-Preisträgerin, in der Titelrolle.
Julianne Moore, die grosse Film-, Bühnenschauspielerin und Buchautorin erhielt für ihre Rolle als Alice Howland im Spielfilm «Still Alice» von Richard Glatzer und Wash Westmorland zu Recht zahlreiche Auszeichnungen, am 22. Februar 2015 auch noch den Oscar. Es sind Feinheiten und Kleinigkeiten, die die Authentizität dieser Figur ausmachen. So fällt der berühmten Professorin bei einer Vorlesung ein Wort nicht mehr ein, wenig später verliert sie beim Joggen die Orientierung. Sie ahnt, dass mit ihr etwas nicht mehr stimmt. Doch die Diagnose kommt dennoch unerwartet: Sie hat, obwohl erst fünfzig-jährig, eine seltene Art von Alzheimer. Der normale Alltag, an dem Alice mit allen Mitteln festhalten will, lässt sich nicht mehr wie bisher gestalten. Dank der Unterstützung ihrer Familie und ihres starken Willens schafft sie es, ihr Leben noch lange bewusst zu leben und die Einzigartigkeit der Augenblicke zu geniessen. Vordergründige Probleme können behoben werden, an Geld fehlt es nie, ihr Partner John und ihre Familie, aber auch das soziale Umfeld nehmen sie ernst und helfen ihr. Dennoch wirft die Krankheit alle aus dem Gleis, denn sie zeigt ihnen die absolute Grenze des Lebens, was sie traurig, wütend, aber auch bescheiden macht.
Alice: bis 50 erfolgreich und glücklich
Der Roman, die Annäherung, die Protagonistin, der Film
Im Dezember 2011 bekamen Richard Glatzer und Wash Westmorland einen Anruf von zwei Filmproduzenten. Diese baten sie, mal einen Blick auf den Roman «Still Alice» von Lisa Genova zu werfen, um ihn vielleicht für die Leinwand zu adaptieren. Es war eine dieser vollkommen unerwarteten Gelegenheiten, von denen man als Filmemacher träumt. Doch als sie erfuhren, von welchem Thema das Buch handelt, zögerten sie. Die Geschichte einer brillanten Frau, die in der Blüte ihres Lebens eine Alzheimer-Diagnose erhält, klang nach einem Film über Krankheit, Trauer und Verlust. Und das erschien ihnen zu nah an ihrem eigenen Leben. Denn vor Kurzem hatte Richard von seinem Neurologen die Diagnose ALS erhalten und die gleichen Fragen gehört, die Alice in den ersten paar Kapiteln im Roman anhören musste. In den folgenden Monaten verbrachten sie viel Zeit, mit dieser Diagnose umzugehen, praktisch, medizinisch, emotional: im Leben und im Roman. Auch die Furcht vor der endgültigen Diagnose kannten sie. Weswegen sie sich ernsthaft fragten, sich diesen Film wirklich zumuten zu wollen. Denn die Diagnose ist in jedem Fall ähnlich: endgültig, tödlich. Sie hat zur Folge, dass der Patient von der Welt isoliert wird, indem die Vergangenheit und die Zukunft sich auflösen. Doch das Buch liess sie nicht los. Je mehr sie darin lasen, desto mehr wurde ihnen klar, dass eine Verfilmung für sie möglich, ja notwendig wurde.
Die Laufe der Auseinandersetzung mit der Figur von Alice verliebten sie sich in die Protagonistin. Sie ist eine unglaublich inspirierende Person: in ihrer Beharrlichkeit, ihrem Eigensinn, ihrer Art, nichts widerstandslos hinzunehmen. Ganz gleich, was die Krankheit mit sich bringt, ist sie fest entschlossen, so pragmatisch wie möglich damit umzugehen. Die Filmemacher wissen nicht mehr, in welchem Kapitel ihrer Lektüre es passierte, doch irgendwann bekam die braun gelockte Alice im Roman in ihrer Vorstellung plötzlich feuerrote Haare. «Wen könntest du dir in der Rolle vorstellen?», fragte Richard, und spontan tippte Wash «Julianne Moore» in seinen Laptop. Je mehr sie darüber nachdachten, desto idealer erschien ihnen die Besetzung. Julianne konnte nicht nur die funkelnde Intelligenz und Komplexität einer Linguistik-Professorin verkörpern, sondern auch die Verletzlichkeit und Naivität der späteren Stadien ihres Lebens. «Wir wussten, dass sie jede einzelne Nuance des Verfalls dieser Frau würde sichtbar machen können. Sie ist nun mal eine der besten Schauspielerinnen». Die beiden schickten ihr eine Nachricht, sie las den Roman, noch bevor das Drehbuch bei ihr ankam. Einen Tag später skypten sie miteinander – und innerhalb von Sekunden sagte sie zu.
Allein, mit schwindender Vergangenheit und Zukunft
Informationen zur Alzheimerkrankheit
In der Schweiz leiden gegenwärtig 113.000, in Österreich 100.000 Menschen an einer Demenzerkrankung. Jährlich erkranken über 27.000 Menschen neu. In Deutschland leben etwa 1,2 Millionen Alzheimer-Patienten, bis 2030 wird sich diese Zahl aufgrund der steigenden Lebenserwartung auf 2,3 Millionen erhöhen. Über 95 Prozent der Erkrankten haben das 65. Lebensjahr überschritten. Das Risiko einer Erkrankung steigt mit zunehmendem Alter.
Die Symptome der Alzheimerkrankheit lassen sich in vier Kategorien einteilen: kognitive Störungen (z. B. Orientierungsprobleme), veränderte Gefühlswelt, Änderungen in der Persönlichkeitsstruktur, zeitweilige reaktive Symptome (z. B. Depression). Kennzeichnend für die Erkrankung ist der langsam fortschreitende Untergang von Nervenzellen und Nervenzellkontakten. Alzheimer ist eine unheilbare Gehirnerkrankung. Zellen bestimmter Gehirnregionen funktionieren nicht mehr und sterben ab. Die durchschnittliche Krankheitsdauer beträgt sieben Jahre ab Diagnose. Weltweit leben 2013 mehr als 36 Millionen an Alzheimer erkrankte Menschen. Diese werden von schätzungsweise 60 Millionen Menschen gepflegt und versorgt.
Quellen: Breuerstiftung, Navigator Medizin, Alzheimer Forschung Initiative e. V., Deutsche Alzheimer Gesellschaft, Alzheimer Gesellschaft Österreich, Schweizerische Alzheimervereinigung
Trailer: http://www.frenetic.ch/films/960/pro/stillalice-hd-trailer-dbde.mp4
Regie: Richard Glatzer und Wash Westmoreland, Produktion: 2014, Länge: 99 min, Verleih: Frenetic