Vision – Aus dem Leben der Hildegard von Bingen

Die Klosterfrau, Prophetin, Heilkundige und Komponistin Hildegard von Bingen, eine der faszinierendsten Persönlichkeiten des Mittelalters, inspirierte Margarethe von Trotta zu einem eindrücklichen Spielfilm, der auch uns heute noch vieles sagen kann.

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Als Kind kommt Hildegard von Bingen ins Kloster Disiboden, später übernimmt sie die Leitung der dortigen Frauenabteilung. Sie erforscht die Heilkraft von Pflanzen und gibt ihr Wissen weiter. Ihre Visionen aber behält die Frau, die ihrer Zeit weit voraus ist, lange für sich. Schliesslich erhält sie die Erlaubnis der Kirche, diese niederzuschreiben und zu veröffentlichen. Als sie ein Kloster nur für Frauen gründen will, stösst sie auf Widerstand. Doch sie versteht es, für ihre Idee zu kämpfen und sie hat Erfolg.

Auch heute noch gilt Hildegard von Bingen als faszinierende Persönlichkeit. Ihre Popularität ungebrochen. Sie war ein Multitalent und ihrer Zeit voraus, eine spirituelle und gleichzeitig praktisch orientierte Frau, die es wagte, sich gegen kirchliche Regeln aufzulehnen und zwei eigene Klöster gründete. Eine Visionärin und moderne Theologin, die als Sechzigjährige die Mondfinsternis mit sachlichen, nicht göttlichen Gründen erklärte. Sie orientierte sich an einem positiven Menschenbild und war eine historische Persönlichkeit mit scharfem Verstand. Eine Äbtissin, Seherin, Naturwissenschaftlerin und Heilkundige, Prophetin, Visionärin, Theologin, Schriftstellerin und Komponistin, für die damalige Zeit eine sanfte Revolutionärin, die beweist, welchen wichtigen Anteil auch Frauen zum geistigen Leben des Mittelalters beitrugen. Papst Gregor IX leitete 1233 einen Heiligsprechungsprozess ein, der aus formalen Gründen nicht zu Ende geführt wurde. Seit vielen Jahren erfahren ihre Ideen und ihre Errungenschaften eine immer grösser werdende Beachtung.

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Die Zeittafel ihres bewegten Lebens

  • 1098 Hildegard wird in Bermersheim bei Alzey geboren. Sie ist das Jüngste von 10 Kindern.
  • 1106 Sie kommt in die Klause am Disibodenberg bei Bad Kreuznach, wo sie für das geistliche Leben erzogen wird.
  • 1113 entscheidet sie sich für ein Leben im Kloster, legt ein Gelübde ab und wird Benediktinerin.
  • 1136 stirbt die Äbtissin und Hildegard wird zu ihrer Nachfolgerin gewählt.
  • 1141 erhält Hildegard, die seit der Kindheit die Gabe des Sehens besitzt, von Gott den Auftrag, alles aufzuschreiben und dieses zu verkünden.
  • 1148 anerkennt Papst Eugen III ihre Sehergabe offiziell.
  • 1150 gründet sie das Kloster Rupertsberg bei Bingen, wo sie Menschen aus allen Schichten um Rat und Hilfe angehen.
  • 1151 – 1158 beendet sie das «Liber Scivias Domini» und entstehen die Werke «Physica» und «Causae et Curae».
  • 1158 – 1163 geht sie auf Missionspredigten nach Frankreich, Lothringen und ins Rheinland.
  • 1163 beschliesst sie den «Liber Vitae Meritorum» und beginnt den «Liber Divinorum Operum», die letzte ihrer großen Visionsschriften.
  • 1165 gründet sie das Kloster Eibingen bei Rüdesheim.
  • 1170 unternimmt sie trotz hohen Alters und körperlicher Beschwerden immer wieder Missions- und Predigtreisen.
  • 1178 wird das Interdikt über das Kloster am Rupertsberg verhängt, weil Hildegard einen exkommunizierten Adeligen beerdigen lässt.
  • 1179 wird dieses im Frühjahr wieder aufgehoben.
  • Am 17. September stirbt Hildegard im Alter von 81 Jahren.

Quelle, u. a.: www.hildegard-seminare.de

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Margarethe von Trotta und Hildegard von Bingen

Die vielfach preisgekrönte Drehbuchautorin und Regisseurin Margarethe von Trotta hat sich mit Filmen wie «Die bleierne Zeit» oder «Rosa von Luxemburg» international einen Namen gemacht. Ihr neustes Werk «Vision» ist eine magische Reise in die Vergangenheit, die dank der zeitlosen Strahlkraft Hildegard von Bingens gleichzeitig eine Brücke bildet zu unserer Zeit. Das Porträt einer aussergewöhnlich begabten, mutigen und visionären Frau, die bis heute fesselt. In den Hauptrollen Barbara Sukowa als Hildegard von Bingen, Heino Ferch als Mönch Volmar, Hannah Herzsprung als Novizin Richardis und Alexander Held als Abt Kuno, mit der Musik von Chris Heyne und Originalkompositionen von Hildegard von Bingen. Margarethe von Trotta ist fasziniert von dieser kraftvollen, mutigen, sehr menschlichen Frau, und sie entwirft ihre Figur und deren mittelalterlichen Kosmos in ruhigen Bildern, sparsamen Dialogen, plastischen Details und genau beobachteten Blicken und Gesten.

Das Phänomen Hildegard von Bingen wirkt bis in unsere Zeit hinein und erlebt seit einigen Jahren eine weltweite Renaissance: Nicht zuletzt wegen ihres ganzheitlichen Denkens, das bei der aktuellen Wertediskussion in Politik, Gesellschaft und Medizin noch an Relevanz gewinnt. Eine moderne Frau für ihre Zeit, findet der Filmproduzent Markus Zimmer: «Der Hauptaspekt ist, dass sie sich in einer von Männern dominierten Umwelt und Gesellschaft durchgesetzt und klug alle Register gezogen hat, die ihr zur Verfügung standen. Sie hat ihre Beziehungen politischer und nachbarschaftlicher Art genutzt, um ihre Interessen durchzusetzen, sowie ihre Mitschwestern mobilisiert. Heute heißt das Networking. Man kann von ihr Mut und Zivilcourage lernen. Viele Eigenschaften, die einen modernen Menschen auszeichnen sollten, waren bei Hildegard von Bingen bereits vorhanden.» «Vision – Aus dem Leben der Hildegard von Bingen» ist ein Film, der in die Vergangenheit führt und durch die Modernität der Klosterfrau wieder eine Brücke zum Heute schlägt.

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Aus einem Interview mit der Regisseurin

Wann und wie ist Ihnen der Name Hildegard von Bingen erstmals bewusst begegnet und was hat das bei Ihnen bewirkt?

In den 1970er Jahren haben die Frauen im Verlauf der Frauenbewegung nach Vorbildern in der Geschichte gesucht. Weibliche Vorbilder gab es damals nicht viele. Geschichte wurde von Männern geschrieben und von Männern gemacht. Die Geschichte der Frauen wurde nicht erzählt, Frauen wurden ausgegrenzt als hätten sie nie eine Rolle gespielt. Bei dieser Suche nach den vergessenen Frauen stießen wir auch auf Hildegard von Bingen.

Wo liegt der Reiz für Sie persönlich, einen Film über Hildegard von Bingen zu drehen, einer Nonne aus dem Mittelalter?

Zunächst einmal gehört sie zu unserer Vorgeschichte, und sie ist für mich ein, heute würde man sagen, Multitalent. Sie ist Visionärin, aber zugleich völlig bodenständig. Eine hoch intelligente Frau, die ihr Licht aber unter den Scheffel stellen musste, weil man einer Frau und Nonne nicht zugestand, sich öffentlich zu äußern. Die einzige Möglichkeit, sich öffentlich zu äußern, war die einer vom Papst anerkannten Visionärin.

Und wo sehen Sie die besondere Bedeutung oder Aktualität ihrer Person für die heutige Zeit?

Im Film werden zwei Dinge angesprochen, die für heute wichtig sind: Zum einen das ganzheitliche Denken in der Medizin. Sie sagt einmal: «Erst muss die Seele heil werden, dann kann der Körper ihr folgen.» Zum anderen der Hinweis, dass sich die Elemente gegen uns wenden könnten. Damals sprach man von Elementen, heute davon, dass sich die Natur gegen uns wendet oder uns zerstören wird, wenn wir sie nicht schützen. Diese beiden Punkte sind das Moderne an ihr. Und dann natürlich ihr Werk als Komponistin, sie hat über neunzig Gesänge geschrieben.

Was reizt Sie immer wieder, starke Frauenfiguren in den Mittelpunkt zu stellen?

Bei den Figuren, die mich reizen, handelt es sich immer um Frauen, die auch Momente der Schwäche haben. Ich versuche deshalb nie, Heldinnen aus ihnen zu machen, sondern zeige sie, wie sie kämpferisch ihren Weg suchen, sich aussetzen, vieles in Kauf nehmen, um sich selber zu finden. Mich fasziniert