The Birth of a Nation

Nat Turner, ein schwarzer Revolutionär: Der Film «The Birth of a Nation» von Nate Parker zeigt eine verdrängte Wahrheit: den ersten Sklavenaufstand und seine Nachwirkungen bis in die heutige Rassenpolitik. Gut gemacht und wichtig.
The Birth of a Nation

Nat Turner (1800 - 1831) wächst als Sklave auf einer Plantage in Virginia auf. Seine Besitzerfamilie lehrt ihn schon als Kind das Lesen der Bibel, sein Privileg. Er wird zum Laienprediger für seine Mitsklaven und heiratet bald die scheue Cherry. Jahre später zwingt die desolate Wirtschaftslage Nats Besitzer, seinen Sklaven als Prediger gegen Bezahlung an andere Plantagenbesitzer auszuleihen. Dort muss er Gehorsam und Unterwürfigkeit predigen. Doch die Gewalt und das Elend, denen er unterwegs begegnet, öffnen ihm die Augen für die Ungerechtigkeit und Grausamkeit, die Sklaven erleiden. Als Cherry Opfer eines Angriffs durch weisse Männer wird, ist Nats Geduld am Ende. Unter seiner Führung bildet sich, rund dreissig Jahre vor dem amerikanischen Bürgerkrieg, ein Sklavenaufstand, der in die Geschichte eingeht, doch in der Öffentlichkeit verdrängt wird.

In seinem Erstlingswerk greift Nate Parker auf dieses wahren Ereignis der US-Geschichte zurück. «The Birth of a Nation» steht in einer langen filmhistorischen Tradition und liefert gleichzeitig einen Kommentar zu den heutigen Rassenproblemen in den USA. Dabei agiert Parker als Produzent, Autor, Regisseur und Hauptdarsteller in Personalunion. Das unabhängig finanzierte Drama geriet zur Sensation am Sundance Film Festival 2016. Dass der hochgejubelte Film jetzt in Amerika ein finanzieller Flop ist, hat einen speziellen Grund: Parker wurde wegen Vergewaltigung einer Kommilitonin im Jahr 1999 angeklagt, wenn auch am Ende freigesprochen, was in der US-Gesellschaft als Makel bleibt. Ohne genaue Kenntnis der Hintergründe und ohne juristisches Wissen verbiete ich mir dazu ein Urteil. Ich beurteile den Film, wie er vorliegt.

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Sklaven waren und sind Waren

Der erste Sklavenaufstand in Amerika

Der von Turner initiierte Aufstand ist eine der wichtigsten und wegweisenden Rebellionen gegen die Sklaverei in der amerikanischen Geschichte, dennoch war er bisher noch nie auf der Leinwand zu sehen. Für einige umstritten, für viele inspirierend, stehen Werk und Leben von Nat Turner. Bis dato war er Held eines Volksmärchens, eine literarische Figur, Protagonist von Dokumentarfilmen und eine historische Randnotiz. «The Birth of a Nation» bietet einen neuen, aufwühlenden Blick auf ihn und seine Zeit. Erzählt wird im Spielfilm vom Aufstand am 21. August 1831 in den Baumwollplantagen in Virginia und dessen Vorgeschichte. Dieser führte schliesslich zum amerikanischen Bürgerkrieg von 1861 bis 1865.

Mutig und ambitioniert präsentiert Nate Parker diese Sklavengeschichte aus neuer Perspektive. Inmitten von Action und Herzschmerz porträtiert er einen Mann, der auf der Bibel fussend, von Liebe und Spiritualität, Wut und der Hoffnung getrieben wird, sein Volk aus den Fesseln der Sklaverei zu befreien. Erstmals erscheint der Mann, der lange Jahre nur als Fussnote der Geschichte existierte, als heroischer Wegbereiter der folgenden Negeraufstände. Nicht von ungefähr hat er sich des Originaltitels von D. W. Griffiths Klassiker «The Birth of a Nation» aus dem Jahre 1915 bemächtigt, der schmerzhaft daran erinnert, wie Hollywood in seinen frühen Jahren rassistische Vorurteile schürte. Parker erzählt eine andere Geschichte der Geburt einer Nation.

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Die Arbeit auf den Plantagen

Das persönliche Engagement des Nate Parker

Während Filme wie «Amistad», «Glory», «12 Years a Slave» und «Lincoln» die Sklaverei zur Darstellung brachten, will Parker ihre Vorgeschichte ins Gedächtnis rufen und zeigen, was man auch heute daraus lernen kann. Nate Turner ist gegen alle Widerstände zu einer Führerfigur aufgestiegen. Wenn heute in der Populärkultur über Sklaverei erzählt wird, geht es immer ums Leiden der Schwarzen. Nat Turner aber war mehr als nur ein Sklave, er war ein Rebell, der sich gegen die Ungerechtigkeit auflehnte.

Mit der Möglichkeit, diesen Film zu realisieren, folgte Parker einer Berufung, die er sein Leben lang gespürt hatte. Er war bereit, dafür ein hohes Risiko einzugehen. «Ich habe mich immer gefragt, wie effektiv ich wohl als Filmemacher sein könnte. Würde ich mich an ein Sujet wagen, das für Aufregung sorgt, zur Diskussion anregt und vielleicht sogar gesellschaftliche Veränderungen nach sich zieht», meint der Autor. Er wollte zeigen, dass er die Konfrontation nicht scheute und sich im Angesicht offensichtlichen Unrechts nicht zurückzog. «Jeder warnte mich vor den negativen Folgen, die dieser Film für mich haben könnte.» Doch das Feuer in ihm war geweckt und nicht mehr zu löschen. «Heute fühle ich mich geradezu gesegnet, dass ich die Geschichte erzählen durfte, genauso wie ich wollte. Das Endprodukt sieht exakt so aus, wie meine Vision des Films: Überall wo wir auf unserer Welt Ungerechtigkeit sehen, müssen wir sie bekämpfen.»

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Am Ende wird es blutig und brutal

Ein Film mit vielen Meriten

Meine Gründe, diesen Film gut zu finden, sind subjektiv. Von Anfang weg spürte ich, dass hier jemand seine ureigene Geschichte, die Geburt seiner Nation, erzählt. Ich spürte, dass dieses Drama sich in der Figur des Hauptdarstellers verdichtet. «The Birth of a Nation» zeichnet sich durch zahlreiche formale und inhaltliche Werte aus.

Formal sind es das Drehbuch, die Kamera, das Schauspiel und die Musik, die eine Einheit bilden. Es wird zwar viel, vielleicht etwas zu viel, abwägend und argumentierend, gesprochen, aber dennoch sind es die Bilder und das Spiel, die einen mitnehmen.

Die gesellschaftliche, also moralischen und ethischen, Werte sind es weiter, vor allem die differenzierte Schilderung des Lebenslaufes von Nate Turner: vom naiven Prediger zum kritischen Beobachter, dann zum fragenden, weiter zum zweifelnden und schliesslich zum überzeugten Revolutionär. Weiter ist es die schwarze Erlösungsgeschichte aus dem 19. Jahrhundert, die zu einem Symbol auch für das 21. Jahrhundert wird, die berührt, die notwendig und wichtig ist – gerade auch in einer Zeit, in welcher Präsident ihre Länder und die Welt in die Vergangenheit zurückzuführen versuchen.

Titelbild: Nat Turner, der Prediger und Revolutionär 

Regie: Nate Parker, Produktion: 2016, Länge: 120 min, Verleih: cineworx