Bruno Manser – Die Stimme des Regenwaldes
Bruno Manser, engagiert, hoffend, zweifelnd
Auf der Suche nach einer Erfahrung jenseits der Oberflächlichkeit der modernen Zivilisation reist Bruno Manser 1984 in den Dschungel von Borneo und findet diese beim Nomadenstamm der Penan. Diese Begegnung verändert sein Leben. Als diese in ihren Lebensgrundlagen vom massiven Abholzen bedroht wird, nimmt Manser den Kampf gegen die Waldzerstörung mit Mut und Willen auf und wird zu einem der berühmtesten und glaubwürdigsten Umweltschützer. Basierend auf der Manser-Biografie von Ruedi Suter erzählt der 141-minutige Film sein Leben und Werk. Da ich annehme, die Geschichte sei in groben Zügen bekannt, erzähle ich sie nicht; wer sie jedoch genauer kennen lernen will, lese sie im Anhang am Schluss.
Was der Schweizer Niklaus Hilber, seit «Amateur Teens» in der Schweizer Kinolandschaft bekannt, mit der Grossproduktion «Bruno Manser – Die Stimme des Regenwaldes» vorlegt, ist in meinen Augen kein «Schweizer Abenteuerfilm», wie er schon betitelt worden ist, und auch kein Film, der auf Festivals mit Standing Ovations und Selfie-Gewitter zu feiern ist. Er ist ein wuchtiger Denkanstoss zu Fragen des Überlebens auf unserem Planeten. Wer mehr über die Produktion wissen will, lese das grosse Interview mit dem Autor, ebenfalls im Anhang.
Aufstand der Penan, gemeinsam mit Manser
Anmerkungen des Regisseurs Niklaus Hilber
Bruno Manser war der bekannteste Umwelt- und Menschenrechtsaktivist der 1980er und 1990er Jahre. Trotzdem ist seine Geschichte auch heute – fast 20 Jahre nach seinem Verschwinden – so relevant wie noch nie: Die zunehmende Globalisierung und der steigende Bedarf an natürlichen Rohstoffen machen den Schutz des Regenwaldes und seiner indigenen Bevölkerung zu einem noch dringlicheren Thema.
Faszinierend an Mansers Geschichte war für mich, dass er selbstlos für eine Sache gekämpft hat, die moralisch gerecht ist, obwohl er immer wieder sabotiert wurde, zuerst von den Behörden in Malaysia und später von denen Europas. Was trieb ihn an? Die Kombination aus Naivität und Beharrlichkeit im Kampf gegen ein globalisiertes Wirtschaftssystem macht ihn zu einer bedeutenden Figur der jüngeren Geschichte.
Ich fühlte mich auch von seinem Idealismus angezogen: Er sehnte sich nach einem präzivilisatorischen Paradies – man könnte sagen: nach der ursprünglichen, menschlichen Unschuld. Ich denke, darin liegt eine Sehnsucht, die wir alle in uns tragen. Doch in der modernen Welt schaffen wir es nicht mehr, das, was wir wirklich zum Leben brauchen, von dem zu unterscheiden, was wir nur oberflächlich begehren.
Je mehr wir uns mit dem Schreiben des Drehbuchs beschäftigten, desto tiefgründiger und zugleich radikaler wurde Mansers Story: Plötzlich hatten wir ein Stück Menschheitsgeschichte vor uns. Wir verstanden, warum die Penan als Volk für Manser so wichtig waren: Als eine der letzten verbliebenen Urwaldnomaden erinnern sie uns daran, wer wir waren, bevor der Mensch sesshaft wurde und begann, Besitztümer anzusammeln. Es war der Zeitpunkt, an dem wir uns selbst aus dem Paradies vertrieben.
Da die Penan bis heute um ihre Landrechte kämpfen, ihre Geschichte also noch nicht abgeschlossen ist, schien es mir nur folgerichtig, den Film mit realen Penan zu besetzen. Diese Männer und Frauen hatten jedoch keine Ahnung, worum es bei der Schauspielerei oder beim Filmemachen geht, und sie sprechen eine Sprache, die nur sie selber verstehen. Für das Casting bin ich drei Monate durch abgelegene Dschungel-Gebiete gereist und habe mit über 400 Penan Probeaufnahmen gemacht.
Da der Name Manser in Malaysia bis heute ein Tabu ist, mussten wir das Vertrauen der Penan gewinnen und sie überzeugen, mit uns ins indonesische Kalimantan zu reisen, wo sie monatelang bei uns lebten und von ihren Familien getrennt waren. Genauso schwierig war es, die Holzfirmen, welche die Drehorte kontrollierten, von unserem Projekt zu überzeugen und im Urwald eine Infrastruktur zu errichten, welche den Anforderungen einer Filmproduktion genügt.
Es war mein Bestreben, einen Film zu machen, der sowohl zeitgenössisch wie auch klassisch wirkt: Traditionell in seiner Erzählweise und dennoch modern in der Art, wie er dem Zuschauer Denkansätze liefert und ihn zu einer Auseinandersetzung zwingt. Für die visuelle Gestaltung liess ich mich von der Romantik inspirieren, von epischen Landschaftsbildern und einer gefühlsbetonten Musik. Manser war im Herzen ein Romantiker, und ich hoffe, dass der Film einen Teil seiner Seele widerspiegelt.
Bruno Manser mit Along Sega, dem Penan-Häuptling (l.)
Was der Film für mich bedeutet ...
«Bruno Manser – Die Stimme des Regenwaldes» beschreibt, in grösserem Zusammenhang und als Symbol verstanden, eine Welt, bei der es 5 vor 12 Uhr ist. Die schiere Unmöglichkeit, der ökologischen Katastrophe zu entkommen, zeigt der Film auf mehreren Ebenen. Erstens bei den Politikern der Länder, wo die Ressourcen gewonnen, respektive vernichtet werden. Zweitens bei den Firmen mit Sitz auch in der Schweiz, so in Baar, meinem Heimatort, sowie bei der Finanzwirtschaft, so am Zürcher Paradeplatz, welche das System am Leben erhalten. In der Ausweglosigkeit und Verzweiflung, dass vor Ort und auch bei den Systemen dahinter keine Veränderung möglich scheint, sucht Manser bei den humanitären, staatlichen wie nicht-staatlichen Organisationen und schliesslich der UNO sowie deren Unterorganisationen Hilfe. Doch auch hier bekommt er keine Hilfe, nur schöne Worte und die Schubladisierung seiner Anträge.
Am Ende steht für mich – nicht im Film, sondern in meiner Wahrnehmung der Problematik – die 16-jährige Greta Thunberg, die heute als Symbol für den Klimawandel dasteht wie eine griechische Schicksalsgöttin, die bei ihrem Auftritt bei der UNO Donald Trump böse in die Augen blickte, der dies mit einem Grinsen quittiert. – Zufällig bin ich auf eine Kolumne der Philosophin Barbara Bleisch im «Tages-Anzeiger» vom 22. Oktober mit dem Titel «Die Politik der Apokalypse» gestossen. Er hat mir geholfen; vielleicht hilft er auch Ihnen. Nachfolgend drei Ausschnitte:
Die Penan im Kampf gegen die Abholzung
... und wie eine Philosophin mir weiter hilft.
«Die Schweiz hat grün gewählt, die Sorge angesichts des Klimawandels vermochte zu mobilisieren. Das hat nicht zuletzt damit zu tun, dass sich der Ton verschärft hat: Es geht nicht mehr nur um Inselparadiese, die versinken, um Gletscher, die schmelzen, um Arten, die sterben – es geht vielmehr ums nackte Überleben. "Sein oder Nichtsein" ist offenbar die Frage. Sie stellt sich uns aber nicht wie in Shakespeares "Hamlet" als Einzelnen, sondern sie stellt sich uns als Menschheit: "Überleben oder Aussterben?"(...) Dabei ist die Zuspitzung auf die Apokalypse vor allem eines: nämlich ungenau. Denn die Endzeit wird nicht heute oder morgen kommen, sondern in Raten: mit Wassermangel, Feuersbrünsten, Stürmen; mit Ernteausfällen, Migrationsströmen, Bürgerkriegen. Wer die Frage auf "Überleben oder Aussterben", auf "Sein oder Nichtsein" reduziert, wird ihr nicht gerecht. Die Frage lautet vielmehr: "Wie sein" angesichts dessen, dass sich unsere Lebenszusammenhänge gewaltig verändern werden? (...) Untergangsszenarien mögen Menschen mobilisieren; eine Politik sind sie nicht. Wie wir als Menschen reagieren wollen auf die drohenden Folgen der Klimaveränderung – rebellisch, deprimiert, naturalistisch, zynisch –, das ist die Frage, die sich uns jetzt stellt.»
Anhang:
Interview mit Niklaus Hilber, dem Drehbuchautor und Regisseur PDF
Inhalt des Films «Bruno Manser - Die Stimme des Regenwaldes» PDF