DREAMS
Lehrerin Johanna und Schülerin Johanne
Johanne ist ein Teenager. Die Liebe kennt sie bislang nur aus Romanen, die sie mit grossem Lebenshunger verschlingt. Deshalb trifft es sie mit besonderer Wucht, als sie sich Hals über Kopf in ihre neue Französischlehrerin Johanna verliebt, wohl wissend, dass eine Beziehung niemals möglich wird. Sie zählt zu den Klassenbesten und wird von der Lehrerin mit dem Kosenamen «Jeanne» angesprochen. Voller Sturm und Drang hält sie ihre Gefühle und Gedanken, aber auch ihre Fantasien, Wünsche und Begierden in schonungslos offenen und expliziten Texten fest, in denen Realität und Wunschtraum, Liebesbekundung wie auch sexuelles Erwachen fliessend ineinander übergehen. Nachdem eine persönliche Aussprache in der Schule nicht möglich ist, folgt Johanne Johanna unauffällig zu ihr nach Hause.
Johanne mit Mutter Kristin
Ein Jahr später hat Johanne einen 95-seitigen Text verfasst, um die Gefühle und Erfahrungen ihrer ersten Liebe zu bewahren. Die Lehrerin ist weggezogen. Doch das Mädchen ringt immer noch damit, dass Johanna sich von heute auf morgen nicht mehr bei ihr gemeldet und jeden Kontakt abgebrochen hat. Ihre Texte von damals gibt sie ihrer Grossmutter Karin zu lesen, einer einstmals erfolgreichen Schriftstellerin, die aber den Eindruck nicht abschütteln kann, ihr volles Potenzial nie entfaltet zu haben, und heute darunter leidet, dass sich ihr Leben, ohne neue Erfahrungen und Eskapaden, dem Ende zuneigt. Sie ist begeistert von der literarischen Qualität der Texte ihrer Enkelin. Obwohl sie Johanne versprochen hat, sie nicht weiterzugeben, lässt sie diese auch ihre Tochter Kristin, Johannes Mutter, lesen. Sie ist spontan empört und meint, Johanne habe sich möglicherweise übergriffig verhalten. Während sie darüber debattieren, ob sie den Text veröffentlichen sollen, werden alle drei Frauen mit ihren eigenen unerfüllten Träumen und Sehnsüchten konfrontiert. Schliesslich drängt Karin darauf, bei ihrer langjährigen Verlegerin eine Veröffentlichung in die Wege zu leiten.
Nach der Buchveröffentlichung, die gute Kritiken erhält, sucht Johanne auf Anraten ihrer Mutter einen Therapeuten auf. Mittlerweile hat sie zwar einen gleichaltrigen Freund, aber ihre Lehrerin kann sie noch immer nicht vergessen. Den Text ihrer Erfahrungen trägt sie als USB-Stick mit sich, lässt ihn aber versehentlich in der Praxis des Psychologen liegen. Ihren Freund lässt sie draussen warten, geht für den Stick zurück und begegnet dabei einer ehemaligen Freundin. Beide kommen in ein angeregtes Gespräch und beschliessen, gemeinsam einen Kaffee zu trinken.
Die wichtigsten, grossartig gespielten Frauenrollen in DREAMS sind wie folgt besetzt: Johanne mit Ella Øverbye, die Lehrerin Johanna mit Selome Emnetu, Mutter Kristin mit Ane Dahl Torp und die Grossmutter Karin mit Anne Marit Jacobsen.
Johanne mit Grossmutter Karin
Statement des Regisseurs
In DREAMS geht es in erster Linie um die erste Liebe als alles verändernde Erfahrung: Sie ist intensiv, alles verzehrend und schicksalhaft. Sie ist auch verwirrend, da sich Sehnsucht im Kopf und im Körper nicht unbedingt im gleichen Tempo entfalten. Auch wenn sich eine Schwärmerei wie eine unaufhaltsame Kraft anfühlen kann, ist es ungewiss, ob das körperliche Ich eines jungen Menschen mit solch intensiven Emotionen Schritt halten kann. In diesem Sinne kann es zu einer Diskrepanz zwischen der mentalen Vorstellung und der körperlichen Erfahrung kommen, die sich sowohl verwirrend als auch traumatisch anfühlen kann. Die Stärke und der Schmerz der ersten Liebe sind dennoch überwältigend und können als ein so wunderbares Ereignis in Erinnerung bleiben, dass spätere Erfahrungen nur schwer mithalten können.
Auf diese Weise erzeugt die erste Liebe auch eine erkennbare Sehnsucht bei den Erwachsenen, die sie beobachten. In meinem Film sind dies in erster Linie die Mutter und die Grossmutter des Mädchens, die die niedergeschriebenen Erfahrungen lesen. Sie beginnen daraufhin, einige der Entscheidungen in Bezug auf Sex und Liebe, die sie selbst im Leben getroffen haben, in einem neuen Licht zu betrachten. Die drei Frauen haben jeweils ihre eigenen Erfahrungen und Meinungen in Bezug auf Verlangen, Freiheit, Selbstbestimmung und Verantwortung, die nicht in Stein gemeisselt sind und sich manchmal widersprechen. Abgesehen von der Liebe untersucht die Geschichte auch, wie sexuelles Verlangen dazu verwendet werden kann, bestimmte Handlungen gegenüber anderen zu rechtfertigen, und dass selbst die zarte, zutiefst persönliche Erfahrung des Verliebtseins einen Marktwert hat.
Der Regisseur an der Berlinale
Biofilmografie von Dag Johan Haugerud
Der Drehbuchautor und Regisseur, * 1964, ist bekannt für seine von der Kritik gefeierten Romane, Spielfilme und Kurzfilme. Er erhielt zahlreiche Preise, Auszeichnungen und Festivaleinladungen. Seine drei letzten Filme sind OSLO STORIES mit DREAMS, SEX und LOVE. Über die Reihenfolge der Werke gibt es in Norwegen und im Ausland verschiedene Auffassungen. Der Regisseur selbst betont, dass DREAMS der zweite, SEX der erste, LOVE der dritte Teil sei, der als «Conclusion», Abschluss und Fazit fungiere. Parallel zu seiner Filmkarriere veröffentlichte Haugerud zwischen 1999 und 2016 mehrere Romane. Darüber hinaus ist er als Bibliothekar an der Norwegischen Musikhochschule tätig.
Buchtipp zum Film
Der Film DREAMS hat, nach meiner Meinung, eine thematische und formale Verwandtschaft mit dem Buch einer Autorin, die Jahrzehnte lang vergessen, erst in den letzten Jahren wieder entdeckt und mit Preisen gewürdigt wurde. Das Buch mit dem Film zu vergleichen, könnte spannend sein: Fleur Jaeggy: Die seligen Jahre der Züchtigung, Suhrkamp, Erscheinungstermin (der aktuellen Auflage) 9. November 2024. ISBN 3-905753-19-7.
Ein Mädcheninternat im Appenzell der sechziger Jahre. Gehorsam und Disziplin prägen die Ordnung des Hauses. Die heitere Landschaft vor den Fenstern treibt die vierzehnjährige Ich-Erzählerin zu stundenlangen einsamen Spaziergängen. Eines Tages erscheint eine Neue während des Mittagessens: Frédérique, schön, streng, verächtlich und voller Überdruss. Frédérique ist anders, etwas Leises und Schreckliches umgibt sie. Ihr sind Beherrschung, Gehorsam und Perfektion bereits zur zweiten Natur geworden. Die Erzählerin ist gebannt von ihrer Erscheinung, sie will sie erobern, sucht ihre Freundschaft. Empfänglich für den morbiden Reiz der Disziplin verfällt sie Frédérique mehr und mehr. Und erst ein ganzes Leben später kann die Erzählerin ihre abgründige Liebe in Worte fassen. (Pressetext)