Hans Krüsi – Auch ein Esel trägt schwer
Ebenso kann das abendfüllende Filmporträt dieser ausser-ordentlichen Persönlichkeit manch jungem Menschen Mut machen, sich einen eigenen Lebensweg zu suchen. – Der Film läuft im Kino und ist als DVD und VHS erhältlich.
Als 25-jähriger Filmstudent hat Baumberger fast drei Stunden Film über Hans Krüsi gedreht und Gespräche mit ihm geführt. Der Respekt des jungen Filmemachers vor dem alten Künstler liess ihn das Filmmaterial ein Vierteljahrhundert unter Verschluss behalten. Erst neun Jahre nach dessen Tod schuf der inzwischen gereifte Filmemacher mit diesem Material, ergänzt durch viele Bilder und Aussagen von Zeitzeugen, seine Hommage an den grossen Aussenseiterkünstler. Von Respekt und Verehrung zeugt auch der fertige Film, in dem der Filmer dezent im Hintergrund bleibt.
Der Künstler
Hans Krüsi wird 1920 in Zürich geboren. Seit 1948 zeichnet er Naturgeräusche, Selbstgespräche, Begegnungen und vieles mehr auf Magnetbändern auf und fotografiert seine Aussenseiterwelt. Seit 1975 verkauft er selbst gemalte Postkarten. Ende der Siebzigerjahre werden Kunst- und Kulturschaffende auf den malenden Blumenverkäufer aufmerksam. 1976 stellt er erstmals Werke in einer Blumengrosshandlung in seiner Heimatstadt aus. Plötzlich steht der Aussenseiter im Rampenlicht der Kunstwelt. Berühmt und dennoch einsam stirbt er 1995.
Was ist das Besondere dieser Künstlerpersönlichkeit? «Seine Bilder sind tief beseelt, animalisch, hingefetzt», meint Anton Bruhin. Es kannte keine Kunsttheorien, hat nie eine Kunstschule besucht. Mit seinen Werken taucht er tief hinunter in seinen Urgrund seiner Parallelwelt. Mit den Dingen, die er abbildet, versichert er sich seiner selbst. Die Bilder sind wie eruptiv aus ihm heraus geschleudert. Auf ihn trifft zu: Wenn Kunst von Können kommt, komm sie von Nicht-Können. Bei ihm ist nichts erlernt, also gekonnt. Die Werke sind wie von einem Geist oder Dämon gemalt, dem er seine Hände leiht.
Der Mensch
Seit seiner Geburt lebte er immer am Rande der Gesellschaft. Den Vater hatte er nie gekannt. Die Mutter sah, jung und mittellos, keine Möglichkeit, den Buben selbst aufzuziehen. Er kam zu Pflegeeltern, dann ins Waisenhaus. Seinen Berufswunsch, Gärtner zu werden, konnte er sich mangels Schulbildung und wegen seiner schlechten Körperverfassung nie erfüllen. Er wurde Knecht, Hilfsgärtner, Blumenverkäufer. Nach seinen Wanderjahren liess er sich in St. Gallen nieder, an mehr als dreissig verschiedenen Wohnadressen. Doch «auch ein Nichts kann etwas werden», schrieb er, seine Vergangenheit mit seiner Zukunft verbindend, ins Tagebuch.
Er war ein Sonderling und Einzelgänger, dem es bei Tieren meist wohler war als bei Menschen. Seine Ehrlichkeit, Treue und Direktheit sind Eigenschaften, die Junge wie Alte beeindrucken. «Wir haben Symposien über Kommunikation abgehalten. Er hat praktiziert, was wir thematisiert haben. Das ist ein Teil der Faszination von Hans Krüsi. Dass er lebte, wovon wir nur gesprochen haben», meint Hans-Ruedi Fricker. Vielleicht kann der eine oder andere junge Mensch, der seinen Lebensweg sucht, bei diesem ausser-gewöhnliche Menschen Antworten oder gar Hilfe finden.
Für den Unterricht
Dieser Film eignet sich ausgezeichnet, in die Kunst einzuführen. Wir nähern uns dabei einem faszinierenden Künstler, ohne ihn je ganz begreifen zu können. Einem solchen Menschen – probehandelnd beim Filmsehen – zu folgen, hat den gleichen Sinn, wie Bilder im Museum, Strich um Strich, Quadrat um Quadrat, zu kopieren. Hans Krüsi, wie er uns hier vorgestellt wird, folgen, heisst: einen Menschen, einen Künstler begleiten, ihm nahe sein, bis es zur Begegnung kommt.