Hello I am David!

Musik wie von einem andern Stern: Der Film «Hello I am David!» von Cosima Lange über den genial-verrückten Pianisten David Helfgott sprengt die Grenzen der Musik und lässt etwas von der Welt dahinter erahnen.
Hello I am David!

David Gotthelf, nach einem Konzert

«Mit seinen Interpretationen und dem das Klavierspiel begleitenden Singen spielte er sich ohne Umwege in mein Herz», erzählt Cosima Lange, die Regisseurin des Films «Hello I am David!», über den Pianisten David Helfgott. «Nach zwei gemeinsamen Tagen in Zürich konnte ich mir ein erstes Bild von ihm machen, welches sich kurz darauf intensivieren sollte. Ich verbrachte einige Tage mit David und seiner Frau Gillian in der Toskana, was mir die Möglichkeit gab, seine Eigenheiten und sein einnehmendes Temperament kennenlernen zu dürfen.»

Es war für sie immer wieder eine Herausforderung, David in seiner repetitiv stakkatohaften Eigenart im Gespräch zu folgen. Mit seinen Wortspielen, vollgepackt mit Alliterationen und lebhaften Metaphern, fühlte sie sich gefordert, um ihm gegenüber als Gesprächspartnerin zu bestehen. Als sie dann aber nach einer gewissen Zeit seine Nähe zuliess, konnte sie sich arrangieren, Gespräche mit ihm während des Tanzens, Händehaltens oder Klavierspielens führen.

Die Regisseurin war auch dabei, wenn sich das Haus des Künstlers nachts in einen Konzertsaal verwandelte und David oft bis in die frühen Morgenstunden Werke von Chopin, Liszt und anderen Komponisten spielte. So lernte sie einen Menschen kennen, der manchmal verletzbar und naiv wie ein Kind wirkt, manchmal die Intelligenz und das Klavierspiel eines Genies besitzt.

Mit diesen Erfahrungen reiste sie in der Gewissheit nach Hause, einen Dokumentarfilm über diesen Ausnahmekünstler zu drehen. Das Filmteam begleitete ihn dann, nachdem das Konzept erstellt und der Film finanziert war, auf der Europa Tour 2012 mit den Stuttgarter Symphonikern bei den Gastspielen in Kopenhagen, Wien, Dortmund, Stuttgart und Leipzig. Das Ergebnis dieser persönlichen und künstlerischen Auseinandersetzungen ist der Film «Hello I am David!».

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David mit seiner Frau Gillian

David Helfgotts Gegenwart ...

Der Film zeigt die Pianisten-Legende David Helfgott als eine der aussergewöhnlichsten Künstlerpersönlichkeiten unserer Zeit. Den grossen Umschwung in sein heutiges Leben gab es, als David 1984 Gillian, seine grosse Liebe, eine überzeugte Astrologin, kennengelernt und geheiratet hatte. 1996 machte ihn Scott Hicks Oscar-prämierter Spielfilm «Shine», mit Geoffrey Rush in der Titelrolle, mit einem Schlag weltberühmt. «Hello I am David!» ist nun der Dokumentarfilm. Familienmitglieder, Weggefährten und die Dirigenten Matthias Foremny und Walter Hitz geben darin Einblick in Helfgotts Leben zwischen genialer Musikalität und unwiderstehlich fröhlicher Exzentrik, zwischen konzentrierter Arbeit am Klavier und überbordender Energie.

Diese Ansichten und Einblicke bündelt die 1976 in Hamburg geborene Regisseurin Cosima Lange so, dass möglichst wenig bewertet und interpretiert wird, dass wir dem Protagonisten von Du zu Du begegnen. Der berührende Film lässt offen, auf welchen fernen Stern wir von ihm entführt werden. Vielleicht gibt es keinen anderen Konzertpianisten, der sein eigenes Aufgehen in der Musik auf die gleiche intensive Art mit dem Publikum teilt wie er. Unablässig murmelt er beim Spielen vor sich hin, scheint sich selbst Anweisungen zu gehen, brummt, prustet oder singt einfach mit. Er lebt die Musik und teilt den Abschluss des Werkes und den Erfolg mit den Anwesenden. Er spielt, was er fühlt, er spricht, was er denkt, er berührt die Menschen, im wahrsten Sinne des Wortes.

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David mit dem Dirigenten Matthias Foremny

... und Vergangenheit

David Helfgott wurde 1947 als Sohn polnisch-jüdischer Eltern in Melbourne geboren. Sein Vater, der den Grossteil seiner Familie im Holocaust verloren hatte, gab ihm von früher Kindheit an Klavierunterricht, und David wurde mit einer Kombination aus Talent, Eifer und der Strenge des Vaters zu dem, was man ein Wunderkind nennt. Mit zehn Jahren gewann er mit Chopins Polonaise in As-Dur seinen ersten grossen Wettbewerb. Mit vierzehn erhielt er auf Vermittlung von Isaac Stern das Angebot, am Curtis Institute in den USA Klavier zu studieren, was am Verbot des Vaters scheiterte. Fünf Jahre später ging David schliesslich gegen den Willen des notorisch strengen Vaters mit einem Stipendium für das Royal College of Music nach London.

Während des Studiums in London gewinnt David mehrere Auszeichnungen. Sein Lehrer Cyril Smith bezeichnet ihn als den brillantesten Studenten, den er je unterrichtet hat, in Technik und Temperament mit Horowitz vergleichbar. Nach einem Nervenzusammenbruch kehrt er 1971 nach Australien zurück. Mit der Diagnose einer schizoaffektiven Störung verbringt er fast elf Jahre in verschiedenen psychiatrischen Kliniken und Einrichtungen. Das Schlimmste für ihn in dieser Zeit war der Verlust seiner «inneren Musik», die er sich nur langsam wieder zurück erkämpfte. 1997, fast 30 Jahre nach seinem Zusammenbruch, kehrt er mit einem denkwürdigen Konzert in die Royal Albert Hall zurück. Heute führt ihn die Musik wieder auf Konzertreisen durch die ganze Welt.

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David mit der Regisseurin Cosima Lange

Aussagen aus dem Film

Die Gattin Gillian Helfgott: «David denkt an Flüsse und Bäume, an den Himmel und die Vögel, wenn er spielt. Es sind nicht die Noten, die ihm durch den Kopf gehen, es ist die Musik, die ihn in seinem ganzen Sein durchdringt.»

Der Dirigent Walter Hitz: «Das Entscheidende ist das erste Klavierstück, das ich von David gehört habe, die "Appassionata", eines meiner absoluten Lieblingsstücke. Das war so durchtrieben von Leidenschaft und Gefühl und Innerlichkeit, dass ich Gänsehaut bekam.»

Der Dirigent Matthias Foremny: «Geniesse es! Geniesse den Moment! Wir wissen das alle, aber David praktiziert es und ermahnt uns immer, dass wir das auch tun sollen.»

Die Filmemacherin Cosima Lange: «David ist ein Katalysator. Er lehrt uns, die Welt aus einer anderen Perspektive wahrzunehmen. Er berührt und wühlt auf. Für mich liegt ein grosser Wert im Anderssein.»

Regie: Cosima Lange, Produktion: 2015, Länge: 100 min, Verleih: Xenixfilm