Max Frisch Citoyen

Max Frisch, der letzte grosse Schweizer Intellektuelle, der über unser Land hinaus wahrgenommen wurde, ist eine Figur, wie es sie heute nicht mehr gibt.

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Vor dem Hintergrund des 20. Jahrhunderts spürt der Film von Matthias von Gunten dieser Persönlichkeit nach und legt seine Bedeutung offen. In einer Zeit, in der Politiker sich gelegentlich wie Schmierenkomödianten aufführen, Wirtschaftskapitäne wie Piraten abzocken und Wissenschaftler zu Fachidioten mutieren, brauchte es Menschen wie Frisch. Da es ihn unter den Lebenden nicht mehr gibt, haben wir uns mit einem Film über ihn zu begnügen, um dieser moralische Instanz zu begegnen, einem Mann, der spricht und sich einmischt, wo andere schweigen und sich verkriechen: einem echten Bürger, einem Citoyen. Der Basler Dokumentarist lässt im Film neben Max Frisch Henry Kissinger, Christa Wolf, Günter Grass sowie ausführlich Peter Bichsel und Helmut Schmidt zu Worte kommen. Hier einige seiner Denkanstösse:

«Man gibt Zeichen von sich, man schreit aus Angst, allein zu sein im Dschungel der Unsagbarkeiten. Man hebt das Schweigen, das öffentliche, auf im Bedürfnis nach Kommunikation. Man gibt sich preis, um einen Anfang zu machen. Man bekennt: Hier steh ich und weiss nicht weiter. – Wir wollen die Schweiz nicht als Museum, als europäischer Kurort, als Altersasyl, als Passbehörde, als Tresor, als Treffpunkt der Krämer und Spitzel, als Idylle; sondern wir wollen eine Schweiz, die sich selber ins Gesicht zu schauen wagt. – Wir haben Arbeitskräfte gerufen und es kamen Menschen. – Ich weiss mich solidarisch mit allen, die, wo immer in der Welt und somit auch hier Widerstand leisten, Widerstand mit dem Ziel, dass der Geist der Aufklärung sich durchsetzt und zwar zeitig genug: nicht als historische Reprise, sondern durch historische Erfahrung erweckt zu neuen und anderen Versuchen eines Zusammenlebens von mündigen Menschen. Und Ansätze dazu gibt es.»

Der Film ist für die heutige Generation der Sozialarbeitenden ein Muss, in dem Sinn, wie es im Nachkriegsdeutschland ein Muss war, darüber zu sprechen, was im Krieg geschah. Denn die Zeit, zu der er Stellung bezogen hat, ist die jüngste Vergangenheit, welche unsere Gegenwart wesentlich mitbestimmt. Frisch stellte auch immer wieder Frage nach dem Selbstverständnis, nach dem Ethos, der Moral der Sozialen Arbeit, die stets neu zu beantworten sind.