Agent of Happiness
Mit den Glücksagenten unterwegs 7222
Kann man Glück messen? Amber und Guna reisen durch Bhutan, um im Auftrag der Regierung die Zufriedenheit ihrer Landsleute zu erfassen. Der Film «Agent of Happiness» von Dorottya Zurbó und Arun Bhattarai aus dem Königreich im Himalaya ist voll inspirierender Begegnungen, Humor und Tiefe und umschreibt die Politik des Landes, die das Ziel hat, das Bruttonationalglück (BNG) zu steigern: Vielleicht die schönste Gegenwelt zu unserer aktuellen Welt.
Die Agenten bei ihrer Befragung
Wege zum Glück
Als sanfte Annäherung an die Welt, in der «Agent of Happiness» spielt, empfehlen sich zwei Filme aus Butan von Pawo Choyning Dorji: «Lunana» und «The Monk and the Gun».
Amber und Guna fallen nicht mit der Tür ins Haus, wenn sie mit ihren Fragebogen anklopfen. Sie kommen locker ins Gespräch mit den Menschen, nehmen sich Zeit, fragen nach und zeigen Mitgefühl. Wie viele Kühe besitzen Sie? Haben Sie manchmal Angst? Waren Sie in den letzten Wochen mal wütend? Was macht Sie glücklich? Sind Sie schwermütig? Was denken Sie, wie glücklich sind Sie auf einer Skala von Null bis Zehn?
Das wirkt einfacher, als es ist: Die Fragen folgen einer durchdachten Struktur und zielen auf mehrere Lebensbereiche ab, vom psychischen Wohlbefinden über die Gesundheit bis zur kulturellen Vielfalt und dem Zugehörigkeitsgefühl. Die Auswertung erfolgt nach einer komplexen Formel, bei der subjektive und objektive Indikatoren unterschiedlich gewichtet und gewisse Schwellen eingebaut werden. ̶ Zum Ausprobieren hat trigon-film einen ähnlichen, auf die Schweiz zugeschnittenen BNG-Fragebogen kreiert.
Dass Amber, der Glücksagent, selbst auf der Suche nach seinem persönlichen Optimum ist, flicht eine reizvolle Ebene und einen parallelen Erzählstrang ein, der so elegant und stimmig in die Geschichte eingewebt ist, dass man sich zuweilen in einem Spielfilm wähnt. Er kümmert sich liebevoll um seine Mutter, fühlt sich aber ohne Lebenspartnerin unvollkommen und einsam. Auf einer Dating-App wird er fündig. Wir sind bei den ersten Treffen dabei und plötzlich klafft da eine Wunde auf, die zeigt, dass es noch blinde Flecken gibt im Staate Bhutan. Als Angehöriger einer ethnischen Minderheit besitzt er keine Staatsbürgerschaft, was bei der Suche nach einer Partnerin generell und bei dieser hoffnungsvollen Annäherung speziell ins Gewicht fällt.
Amber und Freundin
Das Filmerteam Dorottya Zurbó und Arun Bhattarai
Arun Bhattarai aus Bhutan und Dorottya Zurbó aus Ungarn haben sich im DocNomads-Masterprogramm kennengelernt, wo beide Dokumentarfilmregie studierten, und arbeiten seit elf Jahren regelmässig zusammen. In Co-Regie realisierten sie «The Next Guardian», der an mehr als 40 internationalen Festivals gezeigt wurde und «Agent of Happiness», der ebenfalls weltweit an Festivals läuft und bereits zahlreiche Preise gewonnen hat. Bhattarai leitet die Produktionsfirma Sound Pictures und ist einer der wenigen unabhängigen Filmemacher Bhutans. Zurbé ist auch als Dozentin im DocNomads-Programm tätig und bekannt für ihren vielfach ausgezeichneten Dokumentarfilm «Easy Lessons».
Die Agenten bereisen das ganze Land
Anmerkungen der Filmschöpfer zu «Agent of Happiness»
Arun: Bhutan war von der Aussenwelt abgeschottet, bis es 2008 eine konstitutionelle Monarchie wurde. Es war auch das letzte Land der Welt, das 1998 Fernsehen empfing. Aufgrund seiner Abgeschiedenheit wird es von westlichen Medien oft als das letzte Shangri-La, ein verborgenes buddhistisches Königreich, dargestellt. In den letzten Jahren geriet es durch seine Entwicklungsphilosophie des Bruttonationalglücks (BNG) ins Rampenlicht. In Bhutan wird das Glück der Bürgerinnen und Bürger von Glücksforschern gemessen, die das Land bereisen. Auf der Grundlage der Ergebnisse werden die 5-Jahres-Entwicklungspläne erarbeitet.
Dorottya: Als Ungarin, die aus einem der pessimistischsten Länder der Welt kommt, war ich von der Idee beeindruckt, dass eine Nation ihre Identität auf der Grundlage von Glück aufbauen kann. Durch unsere belastete Vergangenheit habe ich ein instinktives Misstrauen gegenüber von der Regierung initiierter Kommunikation und Propaganda. Aber in Bhutan funktioniert nichts so, wie wir es uns vorstellen. Ich war neugierig darauf, wie es sich auf die Menschen auswirkt, wenn ihnen Glück als offizielles Kriterium auferlegt wird, können wir glücklicher werden, wenn es in unser kollektives Bewusstsein injiziert wird? Arun und ich haben uns von dem Vorgehen, Gefühle und Lebenserfahrungen mit Formeln zu messen, inspirieren lassen. Es reizte uns, den Akt der Messung in eine filmische Erfahrung umzusetzen, die über Diagramme hinausgeht, und uns dem Geist und der Seele der Menschen zu nähern. Mich interessierte die Frage, wie sie mit der Zerbrechlichkeit von Glück umgehen, wie man Glück auch in der tiefsten Trauer finden kann, nicht im Streben nach mehr, sondern im Loslassen, etwas, das auch ich in meinem Leben lernen muss.
Inmitten von Gebetsfahnen
Dorottya und Arun: Das führte uns ins «Happiness Center», wo wir unseren Hauptdarsteller Amber Gurung trafen, der als Glücksagent von Tür zu Tür geht, um den Glücksindex der Bürger:innen zu messen. Aufgrund seiner offenen, selbstironischen Ader fühlten wir uns sofort mit ihm verbunden. Als wir ihn besser kennenlernten, wurde uns klar, dass er tief im Inneren unglücklich ist. Er reist durch das Land, um das Glücksniveau der Menschen zu messen, ist aber selbst sehr einsam. Im Paradox des «unglücklichen Glücksagenten» sahen wir eine Dynamik, die die emotionale Handlung des Films vorantreibt. Seine Suche nach einer Partnerin wird durch die Tatsache erschwert, dass er keine Staatsbürgerschaft besitzt. Amber ist der erste Hauptdarsteller in einem bhutanischen Film, der aus der ethnischen Gemeinschaft der Nepali in Bhutan stammt. Sein herzerwärmender Charakter und seine Fähigkeit, Freude und Leichtigkeit in den hoffnungslosesten Situationen zu sehen, kann das Verständnis für seine Sorgen und die anderer Menschen wecken. Die bittersüsse Geschichte gibt uns Gelegenheit, über unser eigenes Glück nachzudenken.
Als Dokumentarfilmer sind wir auf der Suche nach authentischen menschlichen Schicksalen. Wir halten es für wichtig, die Dramen hinter alltäglichen Ereignissen zu zeigen, verborgene Wünsche, Träume und Ängste sichtbar zu machen. In unseren Filmen geht es oft um das Aufeinandertreffen von Kulturen, Identitäten, Werten und Mustern. Es fasziniert uns, durch das Vertraute beim Anderen universelle Werte und Gefühle aufzeigen zu können, die uns verbinden, egal, wo auf der Welt wir aufwachsen. Wir glauben, dass es auch in schwierigen Zeiten wichtig ist, Geschichten mit erhebendem Potenzial zu erzählen, und dass dies eine unserer Aufgaben als Künstlerpaar ist.
Nachspann
«Seit diesjähriger Befragung zum BNG sind 93,6% der Bewohner:innen glücklich. Das ist eine Steigerung von 3,3% im Vergleich zum Vorjahr.»