Landrián

Mit Filmen ins Innere Kubas eintauchen: Nicolás Guillén Landrián, der erste schwarze Regisseur des kubanischen Kinos, hat aussergewöhnliche Filme gedreht und dafür Zensur, Haft und Exil erlitten. Seine Witwe und sein Kameramann lassen sein Oeuvre im Dokumentarfilm «Landrián» von Ernesto Daranas in angemessener Form wieder aufleben. Ab 19. August im Kino, mit Einführung von Niels Walter, der in Kuba lebt.
Landrián

Nicolás Guillén Landrián

Nicolás Guillén Landrián (1938 – 2003) war einer der originellsten avantgardistischen kubanischen Filmemacher der 1960er- und 1970er-Jahre: ein Unangepasster, ein wilder Kerl. Die Revolutionshüter Kubas ächteten ihn, belegten ihn mit Berufsverbot, verhafteten, internierten ihn und schickten ihn schliesslich ins Exil. In Miami, wo er bis zu seinem Tod mit seiner Frau lebte, starb der Filmemacher 2003 mit 65 Jahren an Krebs. Das Schicksal, wiederholt weggeschlossen und ruhiggestellt zu werden, das sein Leben prägte, ereilte auch seine Filme. Jahrzehntelang blieben sie der Öffentlichkeit verborgen. Erst 2022 wurde ein Teil unter der Leitung des Regisseurs Ernesto Daranas, von dem wir «Conducta» kennen, aufgearbeitet.

Der Dokumentarfilm «Landrián» beschreibt die Suche und Rettung seiner Filme im heutigen Kuba, zeichnet das Leben und Schaffen des Autors nach und beleuchtet seinen sozialen und politischen Kontext. Seine Witwe Gretel Alfonso und sein Kameramann Livio Delgado erinnern an die wichtigsten Werke dieses stupenden Könners des frühen kubanischen Kinos und verweben alles zu einer unterhaltsamen, interessanten Collage und einem eindrücklichen Zeitdokument, wie das Kuba der Castros mit Menschen umging, die aus der Reihe tanzten.

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Grete Alfonso, Nicolás Frau

Directors Statement

Ich habe Nicolás Guillén Landrián als Kind im Kino meines Viertels entdeckt, wo ich mir seinen Dokumentarfilm «Ociel del Toa» aus dem Jahr 1965 viele Male anschaute. Meine Eltern waren Lehrer und unterrichteten in den Bergen. Ich lebte bis zu meinem fünften Lebensjahr in denselben Landschaften und unter denselben Menschen, die in diesem kleinen und schönen Film zu sehen sind.

Nach mehreren Jahrzehnten der Ächtung begann man zu Beginn dieses Jahrhunderts, den Filmemacher und Künstler Landrián zu rehabilitieren. Die Begeisterung für seine Dokumentarfilme wurde begleitet von der Enthüllung der Ungerechtigkeiten, die dem Künstler widerfuhren. Landrián wurde zensiert, inhaftiert, psychiatrisch interniert und schliesslich exiliert.

2019 besuchte ich das Archiv des Instituto Cubano del Arte e Industria Cinematográficos und war schockiert über den desolaten Zustand eines Grossteils des gelagerten Materials. Unter vielen anderen Filmen interessierte mich «Ociel del Toa», von dem ich wusste, dass er für immer verloren zu gehen drohte. Im Laufe dieses Prozesses beschloss ich, Landriáns gesamtes Werk aufzuspüren und seine Kurzfilme, wo noch möglich, zu restaurieren. Gemeinsam mit Produzent Luís Tejera, dem ICAIC und Altahabana Films wurde das Landrián-Projekt ins Leben gerufen. Teil des Projektes ist mein Dokumentarfilm «Landrián», der dank der Erfahrungsberichte seiner Witwe Gretel Alfonso und seines Kameramanns Livio Delgado eine persönliche Annäherung an den Menschen und Künstler ermöglicht, dessen Werk wir restauriert haben. Mein Dokumentarfilm «Landrián» und die «Landriáns Shorts» mit sieben restaurierten Kurzfilmen des Forschungsprojektes lassen einen bedeutenden Filmemacher und sein Umfeld von innen und aussen beleuchten.

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Alte Kollegen erinnern sich an die Filme von damals

Mosaiksteine zu Person und Werk von Landrián

Der folgende Text beschreibt Landrián und sein Werk in einer Form, die, so hoffe ich, Landrián angemessen ist: spontan, kantig, zufällig wie Mosaiksteine:

Grete erzählt das Leben Nicolás: persönlich, leidenschaftlich.
Tief berührt erinnern sich seine Kollegen der Filme von damals.

«Ich passe nie wo rein, ausser in mein Werk.»

Der kleine Nicolás kam nach acht Totgeburten zur Welt.
Mit zwei Jahren hatte er Wände vollgekritzelt.

Mit der Hausangestellten Benita hatte er seine erste sexuelle Erfahrung.
Eine Nonne nahm ihn mit in ihre Zelle, bis sie erwischt wurden.
Der Junge kommt in die Erziehungsanstalt.

Im Archiv sucht man verzweifelt nach den alten Filmen.
Immer und immer wieder zeigen Filme im Stechschritt Marschierende, vorwärts, rückwärts, auf dem Kopf.

Nicolás ist ein Freigeist.
«Ich war nie angepasst. Revolution ist mein Ding.»

Immer wieder war er ein Fall, ein Sonderfall.
Die Anschuldigung: Liederliches Verhalten.
Ausschluss aus den Institutionen.
Prozesse, Prozesse, Musterprozesse.

Mit 23 kommt er ins Filminstitut.
Er wusste nicht viel über Film, hatte gute Lehrmeister.
Regiekurs bei Josis Ivens und Theodor Christensen.

Wunderbare Aufnahmen von Menschen auf den Strassen.
Mit der Handkamera hautnah an den Menschen.
Geschichten mit der Kamera eingefangen, erzählt.
Das Leben filmen!
Landschaften er-fahren.
«Aktuelle Themen interessieren mich nicht. Ich filme ohne Drehbuch, ohne Fragen und Reden. Nur Filmen.»

Grete aus seinem Tagebuch: «Duft auf deinen Händen, deinen Lippen, deinen Augen, deinem Haar, deiner Scham.»
Ein faszinierendes, charismatisches Liebespaar!

Fotos, die das Leben festhalten, offenlegen.
Bilder eines Mädchens leuchten wie pure Reinheit.

Immer wieder Akten, Akten und Arreste.
Zeichnungen aus dem Gefängnis.
Kontakt mit Black Panther.
Drogenkonsum.
Präventivhaft, Haft, Elektroschock, Gefängnis.

Unter Tränen bittet er, filmen zu dürfen.

Er fing Bilder und Töne ein, scheinbar zufällig, nebenbei, doch mit den Augen eines Gottes.
Reine Poesie!

Einlieferung in die Psychiatrie: Schizophrenie, Zwangsjacke, unheilbar.
Immer gegen Staatsgewalt. Immer ideologische Abweichung.

«Wenn ich nicht völlig dem Wahnsinn verfallen bin, dann nur dank Gretel und weil ich nie aufgehört habe, in meinem Kopf zu zeichnen und zu filmen».

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Landrián lebt gefährlich

«Landriáns Shorts (1938 – 2003)»

Von 1962 bis 1972 realisierte Landrián zahlreiche Dokumentarfilme für das staatliche kubanische Filminstitut, darunter Auftragsarbeiten für revolutionäre Propaganda. Doch «das System» quälte, bestrafte und ächtete ihn. Erst fünfzig Jahre danach konnte ein Teil davon gefunden und gerettet werden. Initiator dieses Projekts ist der Filmemacher Ernesto Daranas, der neben der Restaurierung von sieben Kurzfilme seinen eigenen langen Dokumentarfilm «Landrián» realisierte. Die Restaurierung der kurzen Dokumentarfilme von Nicolás Guillén Landrián fördert dessen verlorenes Vermächtnis und die dunklen Wahrheiten über die Zensur durch die kubanische Revolution zutage.

trigon-film präsentiert unter «Landriáns Shorts (1938 – 2003)» folgende sieben Titel:

«En un barrio viejo», 1963
«Los del baile», 1965
«Reportaje Plenaria Campesina», 1966
«Ociel del Toa», 1965
«Un festival», 1963
«Coffea Arábiga», 1968
«Taller Claudio A. Camejo de Línea y 18», 171

Regie: Ernesto Daranas, Produktion: 2023, Länge: 80 min Verleih: trigon-film